Jahresrückblick 2020 // Revue de l’année 2020

[en français ci-dessous]

Liebe Unterstützer*innen und Mitleser*innen, liebe Community,

wir blicken auf ein ereignisreiches Jahr 2020 zurück. Seit nun fast einem Jahr verfolgt uns die Corona Pandemie und die damit verknüpften Einschränkungen nahezu in alle Lebens-, Arbeits- und Politikbereiche. Auch unsere politischen Tätigkeiten und ursprünglichen Pläne wurden davon teilweise beeinflusst. Jedoch können und konnten wir uns irgendwie flexibel arrangieren, verschiedene Vorhaben anpassen und gemeinsam alternative Ideen entwickeln. Für Geflüchtete, die teilweise seit Jahren in den Lagern und Wäldern der europäischen Außengrenzen ausharren müssen, ist mit der Coronapandemie hingegen ein weiterer Faktor hinzugekommen, der die humanitäre Katastrophe nur noch weiter verstärkt. In den Lagern der Ägäischen Inseln Lesbos, Samos und Chios ist es zum Beispiel seit Monaten weder möglich die notwendigen Abstände einzuhalten oder Hygieneartikel für alle Bewohner*innen zu erwerben, noch stehen ausreichend Masken zur Verfügung, um sich selbst und andere vor einer Infektion zu schützen. Die desaströsen Isolationsbedingungen für Infizierte und ihre Kontaktpersonen sowie die generellen medizinischen Verhältnisse verweisen in den Zeiten der Pandemie einmal mehr darauf, für welche Menschen innerhalb der EU Gesundheitsschutz gilt und für welche nicht [1],[2]. Doch auch in anderen Hotspots der EU, wie an der französischen Nordwestküste oder der sogenannten Balkanroute, manifestieren sich menschenverachtende Bedingungen. So werden seit Monaten in den Küstenregionen des Ärmelkanals in Frankreich provisorische Camps von den örtlichen Repressionsbehörden brutal geräumt. Menschenrechtsbeobachter*innen dokumentierten dabei kürzlich wie die Bullen Zelte und Planen mit Messern zerstörten und übrige persönliche Gegenstände, wie Kleider, Taschen oder Mobiltelefone vernichteten. Mittels solcher repressiver Strategien wurden bis zum 8. Dezember über 984 Räumungen in und um Calais durchgeführt. Dabei wurde die Arbeit der Menschenrechtsbeobachter*innen regelmäßig durch die Behörden torpediert, teilweise unter dem Vorwand der Corona-Bestimmungen [3]. Ähnlich geht es auch auf der sogenannten Balkanroute zu. So berichtet der Border Violence Report monatlich über kontinuierlich stattfindende (illegale) Pushbacks aus Kroatien oder gar angrenzenden Staaten, wie Slowenien. Die kroatischen Bullen stechen dabei allerdings mit ihren Folterpraktiken und körperlichen Misshandlungen besonders hervor [4]. Seit Jahren existieren Dokumentationen darüber, wie Geflüchtete illegal nach Bosnien oder Serbien zurückgedrängt werden. Das geht einher mit vorsätzlicher, strategisch geplanter, mutwilliger und kollektiv organisierter Körperverletzung der Geflüchteten sowie der Zerstörung all ihrer persönlichen Gegenstände [5],[6]. In diesem Jahr wurden darüber hinaus in der internationalen Presse Fälle veröffentlicht, in denen die kroatische Polizei Geflüchtete mit Farbe markierte, bevor der illegale Pushback nach Bosnien vollzogen wurde [7].
Diese Vorfälle würden sich nicht nur nahezu unendlich fortführen lassen, sie unterstreichen insbesondere den rassistischen Charakter der europäischen Grenzpolitik und eine nicht mehr zu verharmlosende politische Strategie des europäischen Grenzregimes, die schlussendlich auf Abschreckung setzt, anstatt den eigenen liberal-demokratischen Wertevorstellungen und Gesetzeslagen zu folgen.

Wir als No Nation Truck wollen diesen Kontinuitäten etwas entgegensetzen. Seit mehr als einem Jahr organisieren wir unsere erste Mission, die zwar zu keiner radikalen Transformation des grenzpolitischen Rassismus Europas führt, allerdings die notwendige praktische Solidarität mit sich bringt, um auf diese Zustände zu antworten. An unserem LKW werden momentan die letzten Baumaßnahmen getroffen, sodass unsere Operation bald starten kann. Wie wir bereits seit Beginn des Projekts ankündigten, werden wir in unserer 7,5t Kiste eine Menge warme Mahlzeiten kochen können, medizinische Erstversorgung leisten und ein starkes Stromversorgungssystem bereitstellen, um circa 50 Endgeräte auf einmal zu laden. Trotz einiger Verzögerungen sind wir schlussendlich sehr stolz darauf, dass unsere ursprünglichen Pläne erfolgreich umgesetzt werden konnten und die praktische Arbeit an der Außengrenze endlich beginnen kann. Nachdem wir in den zurückliegenden (vergangenen) Monaten viel Zeit damit verbracht haben über Crewing, gegenwärtige Aufgabengebiete sowie interne Strukturen zu diskutieren und zukünftige Strategien und Handlungsspielräume zusammen ausloteten, starten wir mit einer hohen Motivation ins neue Jahr. Schwerpunktmäßig werden wir neben der Bereitstellung der eben genannten Basic Needs darauf setzen, zusammen mit weiteren Netzwerken Grenzgewalt zu dokumentieren und zu veröffentlichen. Dabei heißen wir es willkommen, wenn sich neben bzw. mit uns zusammen andere Graswurzelnetzwerke gründen, die ebenfalls einen Teil dazu beitragen, dass die rassistischen Ungerechtigkeiten der europäischen Migrationspolitik nicht kommentar- und tatenlos hingenommen werden. Herrschende politische Akteur*innen gehören unter Druck gesetzt und Menschen in Notsituationen dürfen schlichtweg nicht sich selbst überlassen werden! 
Wir möchten zudem unterstreichen, dass es möglich und notwendig ist politische Projekte auf den Weg zu bringen und sich dabei durch Selbstorganisierung, Autonomie und Kollektivstruktur handlungsfähig zu machen und dabei Prozesse der Selbstermächtigung anzustoßen. 

Wir bedanken uns bei den vielen Unterstützer*innen, allen tatkräftigen und solidarischen Händen, die Solipartys und Plattformen organisieren, durch die wir unser Projekt finanzieren und bewerben können. Ein großer Bestandteil unserer (immer noch nicht perfekt ausgeprägten) gegenwärtigen Professionalität resultiert aus der großartigen Unterstützung, die wir auf vielen unterschiedlichen Ebenen erhalten haben. 

Stay tuned, stay rebel – Ihr werdet von uns hören! Solidarische Grüße, Euer No Nation Truck!

[1] – https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-migrantencamps-moria-hilfsorganisationen-100.html

[2] – https://www.spiegel.de/panorama/camps-fuer-fluechtlinge-in-griechenland-hier-koennen-wir-nicht-leben-a-b13c66e2-fc41-4ec3-b639-e496e470ed43

[3] – https://calais.bordermonitoring.eu/2020/12/09/auf-dem-weg-zur-tausendsten-raeumung/?fbclid=IwAR1rNADiuekEEP1Nb2FQtiKp6UTvtiMBOIfJbmxkFGq_83kKrYw5oaryzDk

[4] – https://www.dw.com/de/kroatien-pushbacks-im-interesse-der-eu/a-55702940

[5] – https://www.borderviolence.eu/background/

[6] – https://www.borderviolence.eu/category/monthly-report/

[7] – https://www.theguardian.com/global-development/2020/may/12/croatian-police-accused-of-shaving-and-spray-painting-heads-of-asylum-seekers

 

version française:

Chers supporters et lecteurs, chère communauté, 

Nous avons eu une année plein d‘événements. Depuis près d’un an maintenant, la pandémie et les restrictions qui y sont associées nous suivent dans presque tous les domaines de la vie, du travail et de la politique. Même nos activités politiques et nos projets initiaux en ont été partiellement affectés. Cependant, nous avons pu nous organiser de manière flexible, adapter divers projets et développer ensemble des idées alternatives. D’autre part, pour les réfugiés, dont plusieurs ont été contraints de survivre pendant des années dans les camps et les forêts des frontières de l’Europe, la pandémie de Covid a ajouté un autre facteur qui ne fait qu’aggraver la catastrophe humanitaire. Dans les camps des îles égéennes de Lesbos, Samos et Chios, par exemple, il n’est pas possible depuis des mois de maintenir les distances nécessaires ou d’acheter des produits d’hygiène pour tous les résidents, et il n’y a pas non plus suffisamment de masques pour se protéger et protéger les autres de l’infection. Les conditions d’isolement désastreuses pour les personnes infectées et leurs contacts ainsi que les conditions médicales générales en temps de pandémie montrent une fois de plus à quelles personnes dans l’Union Européene la protection de la santé s’applique et à quelles personnes elle ne s’applique pas [1], [2].

Mais les conditions inhumaines se manifestent également dans d’autres points chauds de l’UE, comme la côte nord-ouest française ou la route des Balkans. Depuis des mois, des camps provisoires dans les régions côtières de la Manche en France sont brutalement détruits par les autorités répressives locales. Observateurs des droits humains ont récemment documenté la façon dont les flics ont détruit des tentes et des bâches avec des couteaux et ont détruit d’autres effets personnels comme des vêtements, des sacs et des téléphones portables. Avec ces stratégies répressives, plus de 984 évacuations ont été effectuées à Calais et ses environs à la date du 8 décembre. Dans ce processus, le travail des observateurs des droits humains  a été régulièrement torpillé par les autorités, parfois sous le prétexte du règlement Corona [3].  

La situation est similaire sur la route des Balkans. Border Violence Report, fait compte tous les mois sur les refoulements continus (illégaux) de la Croatie ou même de pays voisins comme la Slovénie. Les flics croates, cependant, se distinguent par leurs pratiques de torture et leurs abus physiques [4]. Plusieurs rapports exposent la manière dont les réfugiés sont repoussés illégalement en Bosnie ou en Serbie. Ces refoulements s’accompagnent de agressions corporelles préméditées, stratégiquement planifiées, gratuites et collectivement organisées contre les réfugiés, ainsi que de la destruction de tous leurs biens personnels[5],[6]. De plus, cette année, des cas ont été publiés dans la presse internationale dans lesquels la police croate a marqué des réfugiés avec de la peinture avant que le retour illégal en Bosnie ne soit terminé [7].  

Ces incidents non seulement se poursuivent presque indéfiniment, comme ils soulignent en particulier le caractère raciste de la politique des frontières européennes et une stratégie politique du régime frontalier européen qui ne peut plus être minimisée et qui repose finalement sur la dissuasion au lieu de suivre ses propres valeurs et lois libérales-démocratiques.

Nous, la No Nation Truck, nous voulons resister ces continuités. Depuis plus d’un an, nous organisons notre première mission, qui ne conduit pas à une transformation radicale du racisme politique aux frontières de l’Europe, mais apporte avec elle la solidarité pratique nécessaire pour répondre à ces conditions. En ce moment, ont est en train de finir les dernières réparations sur notre camion, pour que notre opération puisse commencer bientôt. Comme nous l’avons annoncé depuis le début du projet, nous pourrons cuisiner plein de repas chauds dans notre boîte de 7,5 tonnes, fournir des premiers soins médicaux et préparer un système électrique solide pour charger environ 50 portables à la fois. Malgré quelques retards, nous sommes finalement très fiers que nos plans initiaux aient pu être mis en œuvre avec succès et que les travaux pratiques à la frontière extérieure puissent enfin commencer.  

Après avoir passé beaucoup de temps ces derniers mois à discuter sur les aspects de Crewing, des tâches actuelles et sur les structures internes ainsi que à explorer ensemble les stratégies et les possibilités d’action futures, nous commençons la nouvelle année avec un niveau de motivation élevé. En plus de répondre aux besoins fondamentaux mentionnés ci-dessus, nous nous concentrerons sur la documentation et la publication de la violence aux frontières, en collaboration avec d’autres groupes actives sur le sujet. On serais aussi ravis si d’autres groupe se connectent à nos côtés ou avec nous, ce qui contribu également à garantir que les injustices racistes de la politique européenne en matière de migration ne soient pas acceptées sans commentaire ni action. Les acteurs politiques au pouvoir doivent être mis sous pression et les personnes en situation d’urgence ne doivent tout simplement pas être laissées à elles-mêmes !  Nous voudrions également souligner qu’il est possible et nécessaire de lancer des projets politiques et de se rendre capable d’agir par l’auto-organisation, l’autonomie et la structure collective et d’initier des processus d’autonomisation.  

Nous tenons à remercier tous nos supporters, des mains énergiques et solidaires, qui organisent des fêtes et des plateformes de solidarité, grâce auxquelles nous pouvons financer et promouvoir notre projet. Une grande partie de notre professionnalisme actuel (qui n’est pas encore parfait) résulte du grand soutien que nous avons reçu à différents niveaux.  

Restez à l’écoute, restez rebelles – vous aurez de nos nouvelles ! Salutations de solidarité, votre No Nation Truck!

[1] – https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-migrantencamps-moria-hilfsorganisationen-100.html

[2] – https://www.spiegel.de/panorama/camps-fuer-fluechtlinge-in-griechenland-hier-koennen-wir-nicht-leben-a-b13c66e2-fc41-4ec3-b639-e496e470ed43

[3] – https://calais.bordermonitoring.eu/2020/12/09/auf-dem-weg-zur-tausendsten-raeumung/?fbclid=IwAR1rNADiuekEEP1Nb2FQtiKp6UTvtiMBOIfJbmxkFGq_83kKrYw5oaryzDk

[4] – https://www.dw.com/de/kroatien-pushbacks-im-interesse-der-eu/a-55702940

[5] – https://www.borderviolence.eu/background/

[6] – https://www.borderviolence.eu/category/monthly-report/

[7] – https://www.theguardian.com/global-development/2020/may/12/croatian-police-accused-of-shaving-and-spray-painting-heads-of-asylum-seekers