Kriegt hier überhaupt jemand mit, was in Italien gerade passiert?
Kriegt hier überhaupt jemand mit, was in Italien gerade passiert?
// engl below
Seit ca. zwei Monaten wird Italien von einer neuen rechten Regierung regiert. Das rechte Bündnis holte zusammen 44% – angeführt von der jetzigen Premierministerin und Neo-Faschistin Giorgia Meloni. Meloni steht ganz offen zu ihren Verbindungen in die extreme Rechte.
Als eine der ersten Amtshandlungen schloss Italien vor zwei Wochen seine Häfen für die Schiffe der zivilen Seenotrettung. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits mehrere große Schiffe im Einsatz auf dem Mittelmeer und hatten viele Hundert Gerettete teilweise bereits seit zwei Wochen an Bord. Wir kennen die Geschichten, wie hoch die psychische Belastung für teils schwer traumatisierte Menschen an Bord ist: umso mehr Menschen gerettet werden umso enger wird der Platz an Deck, umso mehr Geschichten und Erfahrungen treffen aufeinander und über allem schwebt die ständige Angst doch noch zurück nach Libyen gebracht zu werden. Trotzdem begann Italien sein krankes Spiel, ausgetragen auf dem Rücken der Geretteten, ließ die Schiffe zwar doch noch in seine Häfen, um Kranke und Kinder von Bord gehen zu lassen und schickte den Rest aber wieder zurück aufs offene Meer. Zum Glück bewiesen die Schiffsführungen großen Mut und weigerten sich.
In Deutschland interessierte all das fast kein Schwein und es gab kaum Berichterstattung darüber. Wo ist die feministische Außenpolitik von Annalena Baerbock, die sich angeblich gegen Gewalt und Diskriminierung stellt?
Unterdessen bat letzte Woche eine weitere Seenotrettungsorganisation erfolgreich darum in Frankreich anlanden zu dürfen, um Italien zu umgehen. Die rechte Regierung in Italien verkaufte dies prompt als ihren Erfolg, in nur wenigen Wochen Regierungszeit bereits das erste Seenotrettungsschiff los geworden zu sein. Frankreich stilisiert sich selbst zwar oft als großen Alliierten-Staat, der die Faschist:innen in Italien gern in ihre Schranken weist, betonte aber direkt dass diese Aktion eine einmalige Ausnahme bleiben wird, dass es vorerst keine Geflüchteten mehr aus Italien aufnehmen und die Grenzkontrollen zu Italien verstärken wird. Heute Morgen hörten wir die ersten Berichte von der franz.-ital. Grenze, das jedes einzelne Auto trotz Kilometerlanger Staus kontrolliert wurde. Das eskalierte schnell.
Am Wochenende verfassten die Mittelmeerstaaten Malta, Griechenland und Zypern, die bereits bekannt sind für Pushbacks, andere Gewalt und menschenunwürdige Praktiken an den Grenzen, unter der Federführung Italiens ein gemeinsames Schreiben gegen die zivile Seenotrettung – die jedoch nur stellvertretend für die Migrationspolitik der reicheren EU-Staaten herhalten muss, mit der sie von den Faschist:innen fälschlicherweise in einen Topf geworfen wird. Dieser Machtkampf wird sich bald genauso auf die Fluchtbewegungen und Hilfsorganisationen an Land auswirken.
Gekämpft wird hier nicht etwa um die Rechte der Menschen auf der Flucht, sondern darum wer sich (zuerst) gegen Zuwanderung abschotten darf und wer nicht. Die Grenze Frankreich-Italien wird somit immer unpassierbarer für Menschen, die eigentlich ein Recht darauf haben vor Krieg, Armut oder Unrecht zu fliehen. Wir erwarten die Berichte der kommenden Wochen von unseren Genoss:innen aus dem Squat Yallah und der Gruppe Kesha Niya mit großer Sorge.
/// English
Is anyone here even aware of what is happening in Italy right now?
For about two months, Italy has been governed by a new right-wing government. The right-wing alliance together won 44% – led by the current prime minister and neo-fascist Giorgia Meloni. Meloni is quite open about her ties to the far right.
As one of its first official acts, Italy closed its ports to civilian rescue ships two weeks ago. At that time, several large ships were already operating in the Mediterranean and had many hundreds of rescued people on board, some for two weeks. We know the stories of how high the psychological strain is for people on board, some of whom have been severely traumatized: the more people are rescued, the more cramped the space on deck becomes, the more stories and experiences come together, and over everything hangs the constant fear of being taken back to Libya after all. Nevertheless, Italy began its sick game, played out on the backs of the rescued, allowed the ships into its ports to let the sick and children disembark, but sent the rest back to the open sea. Fortunately, the ship’s leaders showed great courage and refused.
In Germany, almost no one was interested in all this and there was hardly any news coverage. Where is the feminist foreign policy of Annalena Baerbock, who supposedly opposes violence and discrimination?
Meanwhile, last week another sea rescue organization successfully asked to be allowed to land in France to bypass Italy. The right-wing government in Italy promptly presented this as its success in getting rid of the first sea rescue ship in just a few weeks of government. France often claims to be a great ally state that likes to put the fascists in Italy in their place, but it directly stated that this action will remain a one-time exception, that it will not accept any more refugees from Italy for now and that it will strengthen its border controls to Italy. This morning we heard the first reports from the French-Italian border that every single car was controlled despite kilometer-long traffic jams. That escalated quickly.
Over the weekend, the Mediterranean states of Malta, Greece and Cyprus, already known for pushbacks, other violence and inhumane practices at the borders, drafted a joint letter under Italy’s leadership against civilian sea rescue – which, however, is only used as a symbol for the migration policy of the richer EU states, with which it is falsely thrown into the same pot by the fascists. This power struggle will soon have the same effect on flight movements and aid organizations on land.
The fight here is not about the rights of people fleeing, but about who is allowed (first) to seal themselves off against immigration and who is not. The border between France and Italy is thus becoming increasingly impassable for people who actually have a right to flee from war, poverty or injustice. We await the reports of the coming weeks from our comrades from Squat Yallah and the group Kesha Niya with great concern.