Anekdoten von der italien.-franz. Grenze

Stacheldrahtzaun über den Mauern des Kirchengeländes. Ein hoch observiertes Eingangstor der Notunterkunft „Refugio Massi“. Die Sonne scheint, im Garten findet ein Fußballspiel statt. Ein 9-jähriges Mädchen spielt mit einem kleinen Welpen im Hof. Im Gemeinschaftsraum schlafen Leute auf den Tischen, obwohl eigentlich jeden Tag um 6:00 morgens geweckt wird. Am Tag zuvor seien so viele Menschen angekommen, dass die Kapazitäten der Unterkunft ausgeschöpft waren. Jetzt müssen alle raus. „Let’s go, Let’s go, let’s go!!!!“. Eine große Hektik bricht aus, keiner will den Bus nach Clavière verpassen. Doch im letzten italienischen Dorf werden bereits Carabinieri auf den Bus warten und die Leute zum Teil an die französische Gendarmerie an der Grenze übergeben. Falls Menschen die steilen Skipisten hochlaufen können, werden Sie spätestens im Wald von der französischen Polizei geschnappt. Push Backs werden von Tag zu Tag professionalisierter und gewalttätiger. Und trotzdem: auf dem Bild würdet ihr immer noch auch lächelnde Gesichter sehen können.

Vor ein paar Tagen berichtet uns eine Gruppe people on the move von einem Push back in den Bergen, als sie versuchten die Grenze nach Frankreich zu überqueren. Die Gendarmerie habe sie im Wald aufgeschnappt, wo sie den Kopf einer Person gegen einen Baum geschlagen haben. Die Polizeigewalt an der Mongenèvre-Grenze nimmt zu. Die Temperaturen sinken und bald wird es die ersten Schneefälle geben. Die Flucht übers Hochgebirge birgt viele Gefahren und einige Menschen nehmen die Unterstützung von aktivistischen Strukturen dankbar an.

Oulx, eine Gemeinde zwischen Tourismus und Rassismus. Zugegeben, hier gibt es die beste Pizza und das leckerste Pistaccio Eis, das wir jemals gegessen haben. Doch wie Touristen fühlen wir uns hier nicht. Im Gegenteil, gehen wir davon aus, von italienischen Ermittlungsbehörden beobachtet und überwacht zu werden. „We know everything, you are helping the migrants“, erklärte uns ein Digo um uns einzuschüchtern und uns kriminell fühlen zu lassen. Die absurde Perspektivverschränkung verdeckt aber den Blick auf die Realität. Wer ist es denn, die die Menschen an der Grenze zusammenschlagen und die Flucht so gefährlich machen, dass Menschen hier in den Bergen sterben?

Auch einige Anwohner:innen stören sich an der Anwesenheit von People on the move und an unserer Anwesenheit. Einige Eltern der Kita hier vor Ort haben sich beim Bürgermeister beschwert, der einen Digo zu uns schickte und uns zum Umparken anwies. Am gleichen Tag wurden wir über eine „Neuerung“ des Busfahrplans informiert. Der Bus von Oulx nach Claviére will ab sofort nur noch Schulkinder und keine migrantisierten Menschen mehr mitnehmen.