Aktuelle Situation in Calais/Dunkerque

Aktuelle Situation in Calais/Dunkerque

Da es keine akute Dringlichkeit mehr für uns und den Truck in Caen gab (s. vorheriger Post), haben wir uns im Norden Frankreichs nach anderen Orten umgeschaut. Diesbezüglich sind wir unter anderem mit Aktivist*innen aus Calais und Umgebung in Kontakt getreten. Eine Region, die seit mehreren Jahren eine geografische Schnittstelle für Fluchtbewegungen in Europa darstellt. Calais und Umgebung beherbergt eine große Zahl Geflüchteter, die zudem einer immensen staatlichen Repression ausgesetzt sind. Aufgrund dessen haben wir uns vorerst dazu entschieden unsere Arbeit dorthin zu verlegen.

Die Stadt Calais ist vielen sicherlich ein Begriff, denn durch ihre geographische Lage an der mit 34 Kilometern engsten Stelle des Ärmelkanals, in deren Mitte die französisch-britische Staatsgrenze verläuft, ist sie seit jeher von Mobilität und Migration geprägt. Seit der Räumung des großen „Jungle“ im Herbst 2016 hat sich die Situation der Menschen auf der Flucht immer weiter prekarisiert. Der Zugang zu medizinischer Versorgung, Strom, Essen wird erschwert und eine erneute Urbanisierung der Camps soll mit allen Mittel verhindert werden. So leben derzeit etwa ungefähr 900 Menschen in kleineren informellen Camps, die sich in der Regel auf Grundstücken der Stadt befinden (Parks, Grünflächen, Parkplätze etc.) und deshalb ohne Räumungstitel geräumt werden dürfen. Daraus hat sich die perfide Routine entwickelt, dass die Camps alle zwei Tage durch die Cops geräumt werden, um einige Stunden später wieder genau dort errichtet zu werden. Da die Polizei alle persönlichen Gegenstände, Zelte und Feuerstellen zerstört, packen die Camp-Bewohner*innen ihre Sachen selbst zusammen, bringen sie weg und warten, bis die Polizei sich wieder entfernt. Vieles davon ist bereits sehr gut dokumentiert. [1] 

Trotz repressiver staatlicher Taktiken und erschwerter Bedingungen aufgrund der Corona-Pandemie sind weiterhin viele Organisationen vor Ort, welche die Versorgung mit Essen, Kleidung, Erster Hilfe und Feuerholz gewährleisten. Deswegen haben wir unseren Fokus auf den Raum Dunkerque verlagert, das knapp 40 km östlich von Calais liegt und nach diesem die am zweitstärksten frequentierte Fährverbindung zwischen dem Festland und Großbritannien ist. Entsprechend existieren seit den frühen 2000er Jahren auch im Raum Dunkerque kleine informelle Camps, so etwa in Téteghem und in der Kleinstadt Grande-Synthe, von der aus sowohl der Fährhafen als auch die zugehörigen Infrastrukturen des Fernlastverkehrs gut erreichbar sind. [2], [1, S.102] 

Das größte Camp dort befindet sich in einem Erholungs- und Naturgebiet namens Puythouk in Grande-Synthe, wo sich eine zum größten Teil kurdische Community aus dem Irak, Iran und Syrien aufhält. Auch dort gibt es einige Gruppen, die sich um die essentiellen Bedürfnisse kümmern und nach Vernetzung und Absprache mit ihnen, haben wir beschlossen, dort mit dem Truck regelmäßig eine Ladestation aufzubauen und gelegentlich zu kochen. Dazu im nächsten Beitrag mehr.

[1] https://bordermonitoring.eu/wp-content/uploads/2018/08/bm.eu-report-2018-calais-web.pdf)

[2] https://calais.bordermonitoring.eu/2020/03/25/vorgeschichte-teil-2-grande-synthe/#more-38)