Neuer Einsatzort Oulx (Norditalien) 

Während unseren letzten Tagen am Ärmelkanal machten wir noch einmal am sogenannten BMX – einem Jungle in Calais – halt. Wir trafen dort auf eine Community aus Eritrea, deren Menschen mit uns überwiegend auf deutsch kommunizierten, da sie vor ihrem Aufenthalt in Frankreich mehrere Jahre in Deutschland verbracht haben. Es ist immer wieder erschreckend für uns, dass den Menschen so wenig Wertschätzung entgegengebracht wird und sie durch die hiesigen rassistischen strukturellen Bedingungen/Anforderungen wieder aus ihrer Wahlheimat verdrängt werden.  Da wir uns in den darauf folgenden Tagen in Richtung Oulx (Norditalien) aufmachten, verabschiedeten wir uns sowohl in Calais als auch am Grant Circle/Puthouck in Dunkirk von den dortigen Communities und starteten voller Enthusiasmus zu unserem neuen Einsatzort in Norditalien.

In Oulx befand sich seit 2018 das selbst verwaltetes Zentrum „Casa Cantoniera“, welches den Menschen, die die italienisch-französische Grenze überqueren wollten, zwischenzeitliches Obdach und viele andere Unterstützungsmöglichkeiten gewährte.
Dieses Zentrum unterlag einem großen Repressionsdruck der dortigen Behörden, die in diesem Jahr schlussendlich auch Mittel und Wege fanden, um das Zentrum zu schließen. Vor diesem Hintergrund verlauteten die italienischen Strukturen des ehemaligen „Casa Cantoniera“ einen Ruf nach Unterstützung, da ihnen jegliche Infrastruktur genommen und jedweder unabhängiger Support auf der sehr gefährlichen Fluchtroute über die Alpen verunmöglicht wurde. Neben den italienischen Aktivsit*innen existieren nur wenige andere Organisationen, die sich dieser katastrophalen Situation annehmen. So findet man beispielsweise  eine mehr oder weniger improvisierte „Zeltstation“ in Form eines einzelnen Kunststoffzelts vom Roten Kreuz. Folgt man aber Berichten ist jene Station keine echte Hilfe für People on the Move, da diese dort lediglich oberflächlich versorgt und nahezu paternalistisch behandelt werden. Somit war der No Nation Truck mehr als willkommen, um vor Ort ein Teil der Strukturen zu sein, die undogmatisch und direkte Unterstützung leisten wollen, ohne sich dabei einem institutionellen top-down Gefälle ergeben zu müssen. Der Auftakt unserer Ankunft war ein sogenanntes „Unlock the border Camp“ am 14/15/16. Mai 2021, auf welchem unser Truck einen Teil der Infrastruktur stellte.

Das Wochenende kennzeichnete sich durch eine Demonstration, die die italienisch-französische Grenze überschritt und von Unterstützer*innen aus mehreren Städten und Communities besucht wurde. Neben der Demonstration fand ein großes Strukturplenum statt, in welchem unter anderem zukünftige Infrastrukturpläne besprochen wurden. Leider wurde auch dieses Wochenende von Polizeigewalt begleitet, wobei sich besonders die französischen Cops hervortaten und die friedliche Demonstration bedrängten.

Abschließend können wir durchaus von einem erfolgreichen  Wochenende durch das Camp sprechen. Dieses bestand länger als gedacht bis zum 19.05. Zudem konnte durch das Camp eine Struktur aufgestellt werden, die die Basic Needs von People on the Move sicherte. Allerdings müssen auch hier wieder die Repressionsorgane der örtlichen Grenzpolizei genannt werden, die sich aktiv an Push Backs in den Wäldern beteiligten. 
Unser Truck wird nun vorerst an der italienisch-französischen Grenze verweilen und vor Ort eine Anlaufstelle für Strom- und Nahrungsversorgung sowie für medizinische Ersthilfe sein.