Jetzt: Deutsch-Polnische Grenze

Der nächste Einsatzort vom No Nation Truck ist die deutsch-polnische Grenze, da sich die Lage auch hier zunehmend verschlechtert. Während Deutschland bisher andere Länder für „die Drecksarbeit“ der Migrationsabwehr bezahlte, um seine eigenen Hände zumindest nach außen hin in Unschuld zu waschen, nimmt die offene Gewalt gegen illegalisierte Einreisende auch vor unserer eigenen Haustür zu.
Wir beobachten die Entwicklungen an der deutsch-polnischen Grenze derzeit mit wachsamen Augen.
Der Verlauf der Balkanroute hat sich verändert und endet nun für viele in Deutschland. Dies hat zu einer verstärkten Grenzsicherung auf deutscher Seite der Grenze geführt. Zusätzlich getrieben durch die Sorge vor den hohen Wahlergebnissen der AfD im nächsten Jahr, begeben sich die demokratischen Parteien auf Wählerfang am rechten Rand. Dies wiederum resultiert in einem Mix aus blindem Aktionismus und trügerischen Scheinlösungen: mehr Polizeikontrollen, mehr Checkpoints der Polizei, spürbar verstärkte Präsenz in grenznahen Städten, weitere Gesetzesverschärfungen. Dieser wachsende Druck, Ergebnisse präsentieren zu können, gipfelt in illegalen Pushbacks und riskanten Verfolgungsjagden auf Autobahnen mit tragischen Unfällen. Zuletzt berichtete die Presse von Razzien, teilweise mit einem Großaufgebot von 200 Einsatzkräften zur Festnahme einer einzelnen Person.
Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich die Frage: Wie viele Menschen kommen eigentlich gerade wirklich? Und woher und warum kommen sie? Wer profitiert, wenn wir unsere Augen und Grenzen verschließen? 
Es ist wichtig, vom Narrativ abzurücken, dass Migration eine Gefahr darstellt.
Migration wird von den Ländern des so genannten Globalen Nordens zunehmend als Sicherheitsproblem dargestellt und im Zuge dessen werden rassistische Annahmen über migrantisierte Personen verstärkt. Dies wird z.B. getan indem behauptet wird, dass migrantisierte Personen vermehrt patriarchales Gedankengut nach Deutschland bringen und so zur Gefahr für „die deutsche Frau“ werden (siehe die rassistische Berichterstattung über die Kölner Silvesternacht). Ganz aktuell werden migrantisierte Personen wieder zu Importeur:innen von Antisemitismus gemacht. Doch dazu schrieb bereits Simin Jawabreh sehr treffend in der „Analyse & Kritik“: 

„Es ist erstaunlich, dass politische Vetreter*innen dieses Landes, in welchem ein industrieller Massenmord an sechs Millionen Juden und Jüdinnen vollzogen wurde, es wagen zu behaupten, Antisemitismus sei etwas, das von außen komme. Dass Antisemitismus tödlich und damit bedrohlich ist, steht außer Frage. Wenn es jedoch Politiker*innen tatsächlich um die Bekämpfung von Antisemitismus ginge, hätten die letzten Jahre in diesem Land anders ausgesehen: Als Corona-Leugnende mit Reichsflaggen durch deutsche Städte zogen und »Juden-Presse« skandierten, als eine rechtsextreme Chatgruppe nach der anderen in der Polizei aufgedeckt wurde oder als ein Politiker wie Hubert Aiwanger mit erheblichen Stimmenzuwächsen dafür belohnt wurde, dass er in seiner Jugend antisemitische Flugblätter verteilt hatte. Ganz zu schweigen davon, dass Nazis in Verfassungsschutzämter gehievt wurden und der Reichtum einer Reihe großer deutscher Firmen auf jüdischer Zwangsarbeit beruht.“

Und nicht genug damit, dass migrantisierte Personen als Gefahr gelabelt werden. Gleichzeitig werden die Erfahrungen von Personen auf der Flucht ausgeblendet, und es wird vergessen, dass es um das Leben einzelner Menschen geht, nicht um Zahlen. Diese Aussage wird seit Jahren gebetsmühlenartig immer wieder von zivilgesellschaftlichen Akteur:innen wiederholt, aber man kann es gar nicht oft genug sagen: Hinter jeder Zahl steckt ein Menschenleben und zu jeder ertrunkenen Person im Mittelmeer gehört eine Familie, die um sie trauert. Bei der Flut an Informationen die täglich über die Medien auf uns einströmen, neigen wir dazu dies zu vergessen und stumpfen ab.
Migration gab es immer und wird es immer geben.
Aktuell befinden sich weltweit etwa 110 Millionen Menschen auf der Flucht. Die Militarisierung der Grenzen in der EU hält niemanden davon ab, ein besseres Leben zu suchen, sondern verschärft die Lage von People on the move lediglich und erschwert sichere Reisen. Aber so lange es Menschen gibt, wird es Migration geben und wir müssen wieder weg davon kommen ihn als Bedrohung zu begreifen. 
Wir sehen die Stimmungsmache gegen migrantisierte Menschen in Deutschland, wir sehen den Rechtsruck und wir sehen das Fischen der demokratischen Parteien am rechten Wähler:innenrand. Wir vernetzen uns daher aktuell vermehrt mit den Menschen, die entlang der deutsch-polnischen Grenze inner- und außerhalb der Lager leben, wir lesen die Polizeiticker und Kommunalblätter, wir suchen häufiger die Grenzübergänge und -orte auf und wir wissen, dass andere bereits das selbe tun oder planen zu tun. Wir wollen wissen was vor sich geht und wir suchen den Schulterschluss, um uns gemeinsam für legale Fluchtwege, eine empathische mediale Berichterstattung und gegen rechte Hetze einsetzen – nicht nur in Doberlug-Kirchain, nicht nur in Eisenhüttenstadt, sondern überall. 
Weitere Aktionen werden folgen! Gemeinsam für den Schutz von Menschen und nicht von Grenzen!