no nation truck & Solibus e.V. bringen 48 Menschen von der ukrainischen Grenze nach Berlin

Nachdem die Situation in der Ukraine am 24. Februar endgültig eskaliert ist, haben wir uns als No Nation Truck Kollektiv entschlossen, etwas zu unternehmen. Der Truck selbst ist gerade mit dem ROSA Kollektiv nach Griechenland unterwegs, deshalb haben wir uns mit einem anderem Kollektiv verbündet: Dem Solibus. Gemeinsam sind wir am Freitag, den 25. Februar über Nacht an die ukrainische Grenze in Przemyśl, Polen, gefahren. Hier kommen die Züge aus Lviv an, aber auch der Grenzübergang Medyka ist nicht weit, wo Menschen zu Fuss und in Autos darauf warten, tröpfchenweise durch die Grenze gelassen zu werden.

Auf einem Parkplatz am Rand der Kleinstadt hat sich ein Busbahnhof entwickelt. Dutzende Menschen, hauptsächlich Pol:innen, halten Schilder in die Luft, auf denen sie Mitfahrgelegenheiten anbieten. Jene, die nicht von Freund:innen oder Familie abgeholt werden, kommen hierhin, um weiterzureisen. Viele standen bis zu einem Tag in der Kälte vor der Grenze, andere haben im Dunkeln während eines Bombenangriffs im überfüllten Zug stundenlang ausgeharrt. Viele sind erkältet, übermüdet, haben weder Geld noch Handynetz.

Auffällig war, dass kaum Menschen direkt nach Deutschland wollten, sondern vor allem weiter in Länder wie Frankreich, Belgien oder die Niederlande, wo sie Verwandte haben. Viele Menschen mit ukrainischem Pass wollten in Polen bleiben und suchten Mitfahrgelegenheiten in die nächsten Großstädte. Uns fiel auf, dass insbesondere Schwarze Menschen und People of Color hier stranden und nicht weiter wissen: Internationale Studierende, Menschen mit Asylstatus, Menschen mit internationalen Arbeitsvisa. Berichte häuften sich, dass diese Menschen es schon an den Grenzen besonders schwer gehabt haben, durchzukommen. Viele dieser Menschen wollten weiter nach Westeuropa, zu Verwandten oder Bekannten – in Polen hatten die wenigsten Kontakte.     

Knapp vier Stunden später machte sich der Solibus mit 48 Passagier:innen wieder auf den Weg nach Deutschland. Darunter eine Mutter mit Kind, deren Mann sie bis an die Grenze gefahren hatte, selbst aber im Land geblieben ist. Mittlerweile ist wehrfähigen Männern zwischen 18 und 60 Jahren die Ausreise verboten. Eine Familie aus Mali, die vor Krieg im Norden des Landes floh und in der Ukraine Asyl gesucht hatte. Zwei Studenten aus Algerien, die ein Auslandssemester in Kyjiw gemacht hatten. Zwei Männer aus Afghanistan, die erst kürzlich vor den Taliban flohen. Eine Frau aus dem Berliner Umland, die für eine Tagung in Kyjiw war. Alle diese 48 Geschichten sind individuell und doch haben sie eines gemeinsam: Sie alle suchen eine sichere Bleibe. Um vier Uhr nachts sind wir am Sonntag den 26.02. dann am ZOB in Berlin angekommen, wo die Reisenden von einem Team des No Nation Trucks erstversorgt und die weitere Reise organisiert wurde.

Der gleiche Bus, mit dem wir hier unterwegs waren, wurde noch vor wenigen Monaten an der polnisch-belarussischen Grenze abgewiesen und musste leer zurückfahren, während Menschen als politischer Spielball vor den Toren der EU erfroren. Die Solidarität mit den Geflüchteten der Ukraine ist wichtig und richtig– sie zeigt aber auch, wo die Prioritäten einer mehrheitlich weissen und christlichen Gesellschaft liegen, wenn es um Mitgefühl mit Geflüchteten geht. Auch bei der deutschen und polnischen Bahn ist bis Stand dieses Textes nur von Freifahrten für ukrainische Staatsbürger:innen die Rede. An der Grenze werden sie schwerer durchgelassen, an manchen Grenzpunkten gar nicht. Ausgerechnet jene, die oft zum zweiten Mal Schutz suchen, vor Krieg fliehen oder bereits vorher vertrieben wurden, haben es gerade besonders schwer. 

Außerdem gab Situationen an Bahnhöfen, wo People Of Colour aus den Zügen geschubst oder mit Gewalt am Einsteigen gehindert wurden. An einigen Grenzen gibt es getrennte Schlangen für Europäer:innen und Nicht-Europäer:innen. Auch in der öffentlichen Berichterstattung kursieren Formulierungen und Narrative die so offen rassistisch sind, dass wir sie nicht einmal wiederholen möchten. Diese Ungleichbehandlung ist nicht zu ertragen und durch nichts zu rechtfertigen.

Selbst noch im Angesicht von Krieg und Gewalt zeigt Europa ihren widerlichen Rassismus.

Wir fordern, dass ALLE Menschen auf der Flucht gleich solidarisch behandelt werden und werden uns weiter dafür einsetzen, dass ALLE dorthin gelangen, wo sie in Sicherheit und Frieden leben wollen!