NNT goes Eisenhüttenstadt

Barfuss und in Badelatschen standen ein paar Männer letze Woche bei Minusgraden und leichtem Schnee vor unserem Truck, als wir das erste Mal nach Eisenhüttenstadt gefahren sind. Schnell hat es sich in dem Lager, in dem aktuell mehr als 1000 Personen auf einen Asylbescheid warten, herumgesprochen und immer mehr Menschen kamen raus in die Kälte. Zwischendurch waren es mehr als 50 Menschen, die vor allem Lust hatten, ins Gespräch zu kommen.
Abwechslung gibt es hier wenig, sagen sie, Kontakt mit der Nachbarschaft oder Anwohner:innen gar nicht. Wir sind mit dem No Nation Truck nach „Hütte“ gefahren, um herauszufinden, welcher Bedarf nach Unterstützung besteht, da uns immer wieder Berichte über Missstände dort erreichten. Im Gespräch bei warmen Tee erzählten die Menschen von verschiedenen Problemen im Lager: 
Kein Geld: Viele warten noch Wochen, teils Monate, nach der Einreise auf erstes Geld, das ihnen eigentlich ab dem ersten Tag im Lager zusteht. Das schränkt die ohnehin schlechte Mobilität noch mehr ein, weil Menschen nicht mal ein Busticket kaufen können, um mal aus dem Lager rauszukommen. 
Zu wenig Kleidung: Die Kleiderkammer im Lager scheint zwar existent, aber nicht zugänglich. Öffnungszeiten sind undurchsichtig und ungünstig gelegen, die Kammer schlecht sortiert. Viele Menschen haben seit Wochen keine Winterklamotten und gehen in Schlappen oder im T-Shirt auch bei Schnee vor die Tür.
Abgeschiedenheit: Das Lager liegt am Rand von Eisenhüttenstadt. Es gibt keine Nachbarschaftszentren oder Anlaufstellen, die mensch zu Fuß erreichen kann. Viele Geflüchtete suchen vergeblich nach Deutschkursen und netten Kontakten in der Gegend. 
Schlechte Informationslage: Unabhängige Rechtsberatung im Lager wird von einem Verein angeboten, der das toll macht, aber sehr unterbesetzt ist. Vielen Menschen fehlt Basis Wissen zum deutschen Asylsystem, Dublin EU-Verfahren und ihren Rechten. Workshop oder Aushänge im Lager, die diesem Misstand entgegen wirken würden, gibt es von Lagerseite nicht. 
Generell scheint die Kommunikation im Lager zwischen Sozialarbeiter:innen und Bewohner:innen auf das mindeste reduziert zu sein. Ob das Essen halal ist, wie man an Klamotten kommt, wo man psychologische Hilfe findet oder welche Schritte nach der Ankunft anstehen – Informationsmaterial in den Sprachen der Bewohner:innen scheint es nicht zu geben und das Personal spricht scheinbar auch nur das Nötigste mit den Geflüchteten.
Wir haben den Eindruck, dass in Eisenhüttenstadt vieles fehlt und sich einiges ändern muss. Wir haben nicht vor, die Aufgaben des Staates hier zu übernehmen. Zusammen mit verbündeten Kollektiven wie der No Border Assembly, Women in Exile, dem frach Kollektiv und Küfa-Gruppen wollen wir in den kommenden Wochen einen Rahmen  schaffen, in dem Menschen sich selbstwirksam vernetzen und gegenseitig unterstützen können, sodass Druck auf die Einrichtung entsteht. 
Das Leben und Ankommen in Eisenhüttenstadt ist unmenschlich und muss besser werden! 
Right to come, right to go, right to stay.

Jetzt: Deutsch-Polnische Grenze

Der nächste Einsatzort vom No Nation Truck ist die deutsch-polnische Grenze, da sich die Lage auch hier zunehmend verschlechtert. Während Deutschland bisher andere Länder für „die Drecksarbeit“ der Migrationsabwehr bezahlte, um seine eigenen Hände zumindest nach außen hin in Unschuld zu waschen, nimmt die offene Gewalt gegen illegalisierte Einreisende auch vor unserer eigenen Haustür zu.
Wir beobachten die Entwicklungen an der deutsch-polnischen Grenze derzeit mit wachsamen Augen.
Der Verlauf der Balkanroute hat sich verändert und endet nun für viele in Deutschland. Dies hat zu einer verstärkten Grenzsicherung auf deutscher Seite der Grenze geführt. Zusätzlich getrieben durch die Sorge vor den hohen Wahlergebnissen der AfD im nächsten Jahr, begeben sich die demokratischen Parteien auf Wählerfang am rechten Rand. Dies wiederum resultiert in einem Mix aus blindem Aktionismus und trügerischen Scheinlösungen: mehr Polizeikontrollen, mehr Checkpoints der Polizei, spürbar verstärkte Präsenz in grenznahen Städten, weitere Gesetzesverschärfungen. Dieser wachsende Druck, Ergebnisse präsentieren zu können, gipfelt in illegalen Pushbacks und riskanten Verfolgungsjagden auf Autobahnen mit tragischen Unfällen. Zuletzt berichtete die Presse von Razzien, teilweise mit einem Großaufgebot von 200 Einsatzkräften zur Festnahme einer einzelnen Person.
Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich die Frage: Wie viele Menschen kommen eigentlich gerade wirklich? Und woher und warum kommen sie? Wer profitiert, wenn wir unsere Augen und Grenzen verschließen? 
Es ist wichtig, vom Narrativ abzurücken, dass Migration eine Gefahr darstellt.
Migration wird von den Ländern des so genannten Globalen Nordens zunehmend als Sicherheitsproblem dargestellt und im Zuge dessen werden rassistische Annahmen über migrantisierte Personen verstärkt. Dies wird z.B. getan indem behauptet wird, dass migrantisierte Personen vermehrt patriarchales Gedankengut nach Deutschland bringen und so zur Gefahr für „die deutsche Frau“ werden (siehe die rassistische Berichterstattung über die Kölner Silvesternacht). Ganz aktuell werden migrantisierte Personen wieder zu Importeur:innen von Antisemitismus gemacht. Doch dazu schrieb bereits Simin Jawabreh sehr treffend in der „Analyse & Kritik“: 

„Es ist erstaunlich, dass politische Vetreter*innen dieses Landes, in welchem ein industrieller Massenmord an sechs Millionen Juden und Jüdinnen vollzogen wurde, es wagen zu behaupten, Antisemitismus sei etwas, das von außen komme. Dass Antisemitismus tödlich und damit bedrohlich ist, steht außer Frage. Wenn es jedoch Politiker*innen tatsächlich um die Bekämpfung von Antisemitismus ginge, hätten die letzten Jahre in diesem Land anders ausgesehen: Als Corona-Leugnende mit Reichsflaggen durch deutsche Städte zogen und »Juden-Presse« skandierten, als eine rechtsextreme Chatgruppe nach der anderen in der Polizei aufgedeckt wurde oder als ein Politiker wie Hubert Aiwanger mit erheblichen Stimmenzuwächsen dafür belohnt wurde, dass er in seiner Jugend antisemitische Flugblätter verteilt hatte. Ganz zu schweigen davon, dass Nazis in Verfassungsschutzämter gehievt wurden und der Reichtum einer Reihe großer deutscher Firmen auf jüdischer Zwangsarbeit beruht.“

Und nicht genug damit, dass migrantisierte Personen als Gefahr gelabelt werden. Gleichzeitig werden die Erfahrungen von Personen auf der Flucht ausgeblendet, und es wird vergessen, dass es um das Leben einzelner Menschen geht, nicht um Zahlen. Diese Aussage wird seit Jahren gebetsmühlenartig immer wieder von zivilgesellschaftlichen Akteur:innen wiederholt, aber man kann es gar nicht oft genug sagen: Hinter jeder Zahl steckt ein Menschenleben und zu jeder ertrunkenen Person im Mittelmeer gehört eine Familie, die um sie trauert. Bei der Flut an Informationen die täglich über die Medien auf uns einströmen, neigen wir dazu dies zu vergessen und stumpfen ab.
Migration gab es immer und wird es immer geben.
Aktuell befinden sich weltweit etwa 110 Millionen Menschen auf der Flucht. Die Militarisierung der Grenzen in der EU hält niemanden davon ab, ein besseres Leben zu suchen, sondern verschärft die Lage von People on the move lediglich und erschwert sichere Reisen. Aber so lange es Menschen gibt, wird es Migration geben und wir müssen wieder weg davon kommen ihn als Bedrohung zu begreifen. 
Wir sehen die Stimmungsmache gegen migrantisierte Menschen in Deutschland, wir sehen den Rechtsruck und wir sehen das Fischen der demokratischen Parteien am rechten Wähler:innenrand. Wir vernetzen uns daher aktuell vermehrt mit den Menschen, die entlang der deutsch-polnischen Grenze inner- und außerhalb der Lager leben, wir lesen die Polizeiticker und Kommunalblätter, wir suchen häufiger die Grenzübergänge und -orte auf und wir wissen, dass andere bereits das selbe tun oder planen zu tun. Wir wollen wissen was vor sich geht und wir suchen den Schulterschluss, um uns gemeinsam für legale Fluchtwege, eine empathische mediale Berichterstattung und gegen rechte Hetze einsetzen – nicht nur in Doberlug-Kirchain, nicht nur in Eisenhüttenstadt, sondern überall. 
Weitere Aktionen werden folgen! Gemeinsam für den Schutz von Menschen und nicht von Grenzen!

Eisenhüttenstadt – Unterstützung gesucht

📣 Eisenhüttenstadt – Support needed 1.12., 14 Uhr 📣

Mehr als 1000 Menschen leben im Erstaufnahmelager am Rande von Eisenhüttenstadt. Die Lebensbedingungen dort sind schwierig; wir wissen von monatelangen Wartezeiten für rechtliche Beratung, Winterklamotten und finanzielle Unterstützung. Die Folge; Menschen können die beengende Unterkunft kaum verlassen, werden vereinzelt und haben kaum Kontakt zu Menschen außerhalb des Lagers. Das wollen wir ändern. Alle zwei Wochen ist der No Nation Truck mit verschiedenen Kollektiven vor Ort, um einen Space für Austausch, Beratung und einfach ein entspanntes Zusammensein zu schaffen. Der erste Termin:

Freitag, 1.12., 14 -18 Uhr

Wir suchen noch: Basic Rechtsberatung, Übersetzung für Arabisch, Farsi. Menschen, die Lust haben, vor Ort einfach präsent zu sein, zuhören und beim Tee kochen etc. zu supporten.

Wollt ihr mitmachen? Habt ihr tolles Infomaterial zum deutschen Asylsystem? Ein Küfa Kollektiv? Etc? Dann schreibt uns an: nonationtruck@riseup.net

Baltischer Scouting-Bericht

Nachdem Teile des nonationtruck-Kollektivs bereits Unterstützungsstrukturen im Baskenland an der spanisch-französischen Grenze besucht haben, um mögliche Standorte für den Truck auszukundschaften, hat sich eine weitere Gruppe an die litauisch-belarussische Grenze begeben, um sich mit Unterstützungsstrukturen für Menschen auf der Flucht vor Ort zu treffen. Wir möchten hier einige Informationen über dieses Grenzgebiet weitergeben und eine Gruppe vorstellen, die dort aktiv ist, um einen kurzen Überblick zu geben.

Der Kontext:
Im Spätsommer 2021 entwickelte sich eine weitere Fluchtroute durch Belarus nach Westeuropa.
Im Jahr 2021 lockerte der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko erstmals bewusst die allgemeinen Reisebeschränkungen für einige Länder in Süd- und Ostasien sowie für einige afrikanische Länder.
Er setzte die Grenzkontrollen mit der EU aus. Mehrere Tausend Menschen nutzten die Gelegenheit zur Einreise und fuhren an die unkontrollierten Grenzen zu Polen, Litauen und Lettland. Mit den Lockerungen versuchte Lukaschenko, Druck auf die EU auszuüben, da diese Sanktionen gegen Belarus verhängt hatte.
Die Menschen auf der Flucht wurden jedoch an der polnischen Grenze nach Belarus zurückgedrängt und von Belarus nicht wieder ins Land gelassen. So saßen sie zwischen den Landesgrenzen in der Falle. Die Menschen wurden systematisch und gewaltsam daran gehindert, ihre Reise fortzusetzen, wenn sie die Grenze passierten. Polen sperrte Teile seiner Grenze zu Belarus mit einem fünfeinhalb Meter hohen Zaun ab. Viele Menschen blieben monatelang in den Grenzwäldern ohne jegliche Unterstützung.
Diese Instrumentalisierung von Flüchtlingen als Druckmittel für staatliche Interessen ist absolut inakzeptabel.

Gruppe:
Als Reaktion auf die unmenschliche Pushback-Politik in der Schengen-Grenzkrise wurde die Sienos Grupė (Instagram @sienosgrupe) gegründet.
Die Gruppe unterstützt Menschen auf der Flucht, indem sie direkte humanitäre Hilfe sowie Rechtsberatung in Litauen anbietet. Zu diesem Zweck sind sie über ein “Alarmphone” 24 Stunden lang erreichbar.

Bei unserem Treffen sprachen wir unter anderem über die aktuelle Verlagerung der Route von Litauen nach Lettland. Sowie über die verstärkten Repressionen an der lettischen Grenze für Mitglieder der Sienos Grupė. Wir haben von dem jüngsten Vorfall erfahren, bei dem die Unterstützer von der Grenzpolizei mit einer Waffe bedroht wurden.
Dennoch will sich die Gruppe in ihrer Arbeit nicht behindern lassen und baut ihre Unterstützung an der lettischen Grenze aus.

Nach unserem Treffen haben wir beschlossen, nicht mit dem Lastwagen an diese Grenze zu fahren. Wir sehen die Vernetzung mit den Menschen vor Ort als wesentlich an, z.B. um staatliche Taktiken zu vergleichen, aber auch um Verteidigungsstrategien zu entwickeln. Wir sehen ein gut vernetztes Netzwerk an der Grenze als notwendig an, um über die Entwicklungen an den Grenzen auf dem Laufenden zu bleiben.

NNT auf dem Anti-BER-Protestcamp

NNT auf dem Anti BER – Protestcamp

Vom 1. bis 6. Juni fand das “Stop Deportation! Protest-Camp” (https://abschiebezentrumverhindern.noblogs.org/camp-2023/) in Schönefeld statt, in der Nähe des Flughafens BER, wo ein neues riesiges Abschiebezentrum gebaut werden soll.

Das Camp wurde von der “Initiative Abschiebezentrum BER verhindern” organisiert und wurde von vielen Gruppen und Einzelpersonen unterstützt!

(z.B. Abolish Frontex, Afg Activist Collective, Afrique-Europe-Interact, Alarmphone Sahara, Anti-CRA Paris & Nantes, Asmara’s World, Barnim für alle, Bleiberecht statt Chancenfalle, Bridges over Borders, Bündnis gegen Abschiebehaft, Bürger*innenasyl Barnim, Climate Antirepression Team, Copwatch Frankfurt, Getting the Voice Out, Hum Hain Pakistan, Ihr seid keine Sicherheit! International Women* Space, Jugendliche ohne Grenzen, KOP Berlin, KuB, Migrantifa Berlin, No Border Assembly, No Lager Osnabrück, No Name Kitchen, O-Platz, PiA Darmstadt, Refugees 4 Refugees, Refugee Community Bitterfeld, Refugees Emancipation, Refugee Law Clinic, Schlafplatzorga, Skills for Action, Soli-Asyl Potsdam, Theater X, Tubman Network, UK Action Group, Welcome United, Women in Exile, Xenion, Zusammenleben Willkommen)

Statt der erwarteten 500 kamen mehr als 2000 Menschen, um sich zu organisieren, zu informieren, an vielen Panels, Diskussionen, Workshops und dem restlichen Programm teilzunehmen & Allianzen zu bilden und zu stärken, um die unmenschlichen Bedingungen in Europa, an seinen Grenzen und darüber hinaus zu bekämpfen!

Unser Kollektiv nahm ebenfalls teil und wir waren mit dem Truck anwesend, um zur Infrastruktur des Camps beizutragen – z.B. mit dem WiFi System, welches wir sonst an den Grenzen mit Hilfe von https:/janga.la/ nutzen, einer extra Küche, einigen Schlafplätzen, einer Ladestation für elektronische Geräte, etwas Platz für die Mediengruppe und beherbergten spontan das kraftvolle “Wearebornfree Empowerment Radio”(https://wer.oplatz.net/), das vom Truck aus lebendige Eindrücke an alle sendete, die es nicht zum Camp schaffen konnten: http://reboot.fm/2016/01/10/we-are-born-free-empowerment-radio/

Am Montag zog dann eine starke und kraftvolle Demo mit rund 600 Menschen durch die Straßen von Schönefeld und zeigte deutlich die Ablehnung dieser ekelhaften und korrupten Pläne! Die Redner:innen waren alle BiPoC und persönlich von Grenzregimen betroffen. Sie teilten ihre Erfahrungen in sehr bewegenden und kraftvollen Reden! Eine der vielen wertvollen Botschaften war: “No Border, No Nation, Stop Deportation!”

In unseren Augen war das Camp gut organisiert und es war sehr beeindruckend zu sehen, wie viel Infrastruktur, Logistik und Programm von allen teilnehmenden Aktivist:innen umgesetzt wurde!

Wir haben das Gefühl, dass dieses Camp die Bewegung gestärkt und vielen Leuten, mit denen wir gesprochen haben, eine neue Perspektive und Motivation gegeben hat. Wir sind sehr froh, dabei gewesen zu sein und freuen uns auf kommende Kooperationen und Aktionen!

Kurz darauf besetzte eine unabhängige Gruppe von Aktivist:innen ein Gebäude auf der zukünftigen Baustelle des Abschiebezentrums! (https://twitter.com/schoenbesetzen)

An dieser Stelle möchten wir für die Kampagne #DumpHarder werben und diesen Investor ärgern, der mit dem Leid und der Inhaftierung von Menschen viele Millionen verdient! Hier ist ein kleiner Aktionsleitfaden: https://dumpharder.neocities.org/

Hier ein paar visuelle Eindrücke vom Camp vom Kollektiv Leftvision: https://www.youtube.com/watch?v=9zp_2jH8E-o

Werdet aktiv und organisiert euch!

Für das Recht zu bleiben und das Recht zu gehen!

(Teil 2) Ein Reisebericht aus dem Baskenland: Kaixa! Saludos de Euskera Herria!

Ein Reisebericht aus dem Baskenland: Kaixa! Saludos de Euskera Herria! (Teil 2)

Ein paar Menschen unserer Gruppe waren letzte Woche im Baskenland, um sich dort mit Solidaritätsstrukturen in der Grenzregion zu vernetzen. Durch den Austausch können wir einerseits voneinander lernen und andererseits schauen, wie wir die unterschiedlichen Kämpfe verbinden können. Denn überall in Europa werden Menschen daran gehindert, sich frei fortzubewegen. Die Strategien sind dabei häufig ähnlich.

Wer kann sich sowas in Deutschland vorstellen?! – Was die Menschen in der Stadt Bilbao gemeinsam schaffen

Auch in Bilbao gibt es solidarische Gruppen, wie die bereits erwähnte „Ongi etorri errefuxiatuak“ („welcome refugees“ auf Baskisch). Ein Fokus von ihnen liegt auf Netzwerkarbeit in Spanien und darüber hinaus in ganz Europa. Ein mal im Jahr plant die Gruppe eine „Caravane“ – jedes Jahr zu einer anderen Grenzregion Europas („Caravana abriendo fronteras“, zu deutsch: „Caravane die Grenzen öffnet“). Zudem will die Gruppe die Fluchtbewegungen der Vergangenheit in Spanien unter Franco mit dem heutigen Migrationsgeschehen verknüpfen, um so an die Solidarität der Bevölkerung zu appellieren und gleichzeitig eine Aufarbeitung der Vergangenheit zu fördern. Dieses Jahr fährt die Caravane nach Melilla – zum Jahrestag vom Massaker von Melilla am 24. Juni 2022.

Außerdem organisiert die Gruppe direkten Support in Bilbao. Die Gruppe handelt nach dem Leitsatz, dass ihre Netzwerkarbeit nur funktioniert, wenn sie auch lokal arbeiten. Ihre Arbeit hat sich diesbezüglich in den letzten Jahren immer wieder verändert. Begonnen haben sie mit der Verteilung von Essen am Hafen, von wo aus Leute versuchen auf die Fähren nach Großbritannien zu kommen.

Mittlerweile machen sie dies nicht mehr, sondern betreiben ein kleines Büro in ihrem Kiez, welches täglich vier Stunden geöffnet ist. Sie unterstützen bei allen möglichen Anliegen und haben sich über die Jahre viel Wissen angeeignet. Sei es zu rechtlichen Fragen, Ärzt:innen, Kinderbetreuung etc. Sie scheinen extrem gut in ihrer Nachbar:innenschaft vernetzt zu sein. Es gibt ein Netzwerk, welches Schlafplätze organisiert und ein paar angemietete Wohnungen verwaltet, die durch das Viertel finanziert werden. Wer kann sich sowas in Deutschland vorstellen?!

Die Gruppe beschäftigt sich auch mit den Angehörigen von Vermissten. Sie sammelt die Geschichten und bringt Menschen wieder zusammen, da es keine staatliche Stelle für Angehörige von Vermissten gibt. Zu der Thematik gab es im Mai 2023 auch einen Kongress in Madrid.

Mehr Infos zur Gruppe „Ongi etorri errefuxiatuak“ in Bilbao unter https://ongietorrierrefuxiatuak.info und https://instagram.com/oeebizkaia?igshid=MzRlODBiNWFlZA

Für mehr Infos zur „Caravana abriendo fronteras“ klickt https://instagram.com/caravanaabriendofronteras?igshid=MzRlODBiNWFlZA

Wer noch mehr zu der südspanischen Grenze lesen will, kann sich diese beiden Seiten anschauen:

  • https://www.apdha.org
  • https://caminandofronteras.org

Wir haben viel über die Region hier gelernt, wohl wissend, dass dies nur ein Bruchteil des Gesamtbildes ist. Wenngleich die Kriminalisierung von und Repression gegen Menschen ohne EU-Pass auch im Baskenland omnipräsent ist, so gibt es doch auch Hoffnung überall auf Genoss:innen im Kampf gegen den Status Quo zu stoßen. La Lucha sigue! Der Kampf geht weiter!

(Teil 1) Ein Reisebericht aus dem Baskenland: Kaixa! Saludos de Euskera Herria!

Ein Reisebericht aus dem Baskenland: Kaixa! Saludos de Euskera Herria! (Teil 1)

Ein paar Menschen unserer Gruppe waren letzte Woche im Baskenland, um sich dort mit Solidaritätsstrukturen in der Grenzregion zu vernetzen. Durch den Austausch können wir einerseits voneinander lernen und andererseits schauen, wie wir die unterschiedlichen Kämpfe verbinden können. Denn überall in Europa werden Menschen daran gehindert, sich frei fortzubewegen. Die Strategien sind dabei häufig ähnlich.

Lasst uns von den Menschen im Baskenland lernen: Grenzregion Irun

In der Grenzstadt Irun haben wir die Gruppe „Irungo Harrera Sarea“ kennengelernt. Sie ist seit dem vermehrten Einsatz von Grenzkontrollen im Sommer 2018 aktiv, schafft eine Öffentlichkeit für die Situation von illegalisierten Menschen und steht ihnen als Ansprechpartner:in zur Verfügung.

Die Zahl der passierenden Personen schwankt und hängt von verschieden Faktoren ab. Einerseits nutzt der marokkanische Staat Menschen auf der Flucht immer wieder als politisches Druckmittel gegen Spanien und die EU, andererseits öffnen und schließen sich auch innerhalb Europas immer neue Wege.

Menschen, die in Irun ankommen, können bis zu drei Nächte in einer Unterkunft vom Roten Kreuz schlafen, sofern sie bestimmte Kriterien erfüllen (sie müssen sog. „Flüchtlinge im Transit“ sein). Zwischen Spanien und Frankreich verläuft hier in der Region ein Fluss, der in Irun nur über eine Brücke passiert werden kann. Es gab viel Kritik von der französischen Zivilbevölkerung, die die Grenzkontrollen auf der Brücke als Racial Profiling wahrgenommen und abgelehnt hat. Dank der starken Proteste mussten die Kontrollen in ihrer damaligen Form eingestellt werden. Aber stattdessen sind in den Bussen nach Bayonne und an anderen Stellen der Grenzregion Kameras installiert. So kann die Grenze weiterhin kontrolliert werden.

In der Zeit vor den zivilgesellschaftlichen Protesten, als die Brücke faktisch für illegalisierte Menschen nicht passierbar war, starben über einen Zeitraum von zwei Jahren 10 Menschen, die schwimmend durch den Fluss versucht haben Frankreich zu erreichen oder auf den Bahnschienen von der Bahn erfasst wurden. In Gedenken an die Opfer dieser staatlichen Gewalt wurde mittlerweile von lokalen Gruppen, wie insbesondere „Ongi etorri errefuxiatuak“ aus Bilbao (siehe unten), ein Gedenkstein am Fluss aufgestellt (siehe Foto).

Auf beiden Seiten des Grenzflusses ist mit Polizeirepression zu rechnen. So hat beispielsweise der Polizeichef auf der spanischen Seite vor einigen Tagen eine Art Prämie für jeden Polizeibeamten:in in Aussicht gestellt – pro festgenommenen Menschen ohne gültige Papiere bekommt der:die Beamt:in mehr Urlaubstage. Das hat der Polizeichef auch so in der Zeitung verkündet, wodurch die Empörung der Presse und Zivilbevölkerung hochkochte. Wieder zeigten die Proteste ihre Wirkung und die Regelung wurde wieder aufgehoben.

Lasst uns von den Menschen im Baskenland lernen! Im gemeinsamen Kampf sind wir stark!

Grundsätzlich befasst sich die spanische Polizei jedoch weitaus weniger mit illegalisierten Menschen, da diese ja gerade dabei sind, das Land zu verlassen. Auf der französischen Seite sind Polizeikontrollen weitaus häufiger. Jedoch gibt es auch auf der französischen Seite Unterstützungsstrukturen und uns wurde allgemein der Eindruck vermittelt, dass sich die baskische Zivilbevölkerung häufig solidarisch mit illegalisierten Menschen zeigt und so eine Weiterreise ermöglicht.

Mehr Infos zur Gruppe „Irungo Harrera Sarea“ in Irun unter https://instagram.com/irungo.harrera.sarea?igshid=MzRlODBiNWFlZA

Hier geht’s zu Teil 2 des Reiseberichtes: https://nonationtruck.org/teil-2-ein-reisebericht-aus-dem-baskenland-kaixa-saludos-de-euskera-herria/

Januar-Update von der franz.-ital. Grenze

(EN below) Januar-Update von der franz.-ital. Grenze

Dieser Bericht ist eine Momentaufnahme über zwei Wochen im Januar an der italienischfranzösischen Grenze, um einen Eindruck von der Situation in Oulx und Cesana sowie den angrenzenden Orten in Frankreich im Winter zu bekommen. Die Entwicklungen vor Ort sind sehr dynamisch und hängen von vielen Faktoren, wie Wetter, politischem Druck, exaktem Standort und lokalen Support-Kapazitäten ab. Bei Erscheinen dieses Berichts, wird sich vieles bereits verändert haben.

Trotz der zum Teil extremen Witterungsbedingungen mit Temperaturen im zweistelligen Minusbereich, Schneefall und Lawinengefahr überquerten auch im Januar ca. 20-30 Menschen am Tag die Grenze zwischen Italien und Frankreich. Diese gefährliche und potentiell tödliche Überquerung der Grenze wird zusätzlich dadurch erschwert, dass seit Ende 2022 gar keine Busse mehr zwischen den Grenzstädten Claviere und Montgènevre fahren. Die Busverbindung wurde durch die Gemeinde bzw. das lokale Busunternehmen eingestellt, um die Bewegungen der Menschen auf diesem Weg zu kontrollieren. De Facto führt das dazu, dass Menschen noch gefährlichere und deutlich längere Wege zu Fuß über die Berge nehmen müssen. Vermehrt häufen sich auch Berichte von Aktivist:innen und People on the Move zum Einsatz von Drohnen seitens der französischen Grenzschutzbehörden, um Fluchtwege nachzuvollziehen und Menschen auf der Flucht zu Push-Backen. Auch in den zwei Wochen unseres Aufenthalts wurde uns von Push-Backs berichtet.
_

January update from the french-italian Border

This report is a snapshot of two weeks in January at the Italian-French border to get an impression of the situation in Oulx and Cesana as well as the neighboring locations in France during winter. Developments there are highly dynamic and depend on many factors, such as weather, political pressure, exact location and local support capacities. By the time this report is published, many things will have already changed.

Despite the sometimes extreme weather conditions with temperatures in double digits below zero, snowfall and avalanche danger, about 20-30 people a day crossed the border between Italy and France also in January. This dangerous and potentially deadly crossing of the border is further complicated by the fact that since the end of 2022 there have been no buses at all between the border towns of Claviere and Montgènevre. The bus service was stopped by the municipality and/or the local bus company in order to control the movement of people on this route. De facto, this leads to people having to take even more dangerous and significantly longer routes on foot across the mountains. There are also increasing reports from activists and People on the Move about the use of drones by French border guards to track escape routes and push-back people on the move. During the two weeks of our stay, we also received reports of push-backs.

Workshop: Erste Hilfe in Grenzregionen

Ein bisher noch wenig bekannter Fact: Wir bieten Workshops für medizinische Ersthelfer:innen an, zugeschnitten auf die Bedürfnisse von People on the move. Keine Vorkenntnisse nötig.

Aus unserer Erfahrung wissen wir, wie dringend medizinische Versorgung gebraucht wird: Eine Flucht nach Europa kann Monate oder sogar Jahre dauern. Unterwegs halten viele Menschen den widrigsten Bedingungen stand: Hitze, Kälte, Mangelernährung, schlechte hygienische Bedingungen, Krankheiten, Gewalt, körperliche Anstrengung oder psychische Belastungen. Gleichzeitig wird medizinische Versorgung mitunter systematisch verweigert, um die Menschen zusätzlich davor zurückschrecken zu lassen europäische Grenzen zu passieren.

Daher kann unser LKW bei Bedarf zum sicheren Behandlungszimmer umfunktioniert werden. Wir sind ausgerüstet mit dem nötigen Equipment für die Erstversorgung und haben wann immer es möglich ist medizinisch geschultes Personal an Bord.

Gemeinsam wollen wir dafür sorgen, dass mehr Menschen in der Lage sind, denen die es brauchen, kostenlose medizinische Versorgung anzubieten. Daher haben wir gemeinsam mit medizinischem Personal aus dem Feld, einen Workshop entwickelt, der dieses Wissen leicht verständlich und mit praktischen Übungen weitergibt.

Zum Workshop gehört z.B. das Erlernen vom richtigen Umgang mit verschiedenen Wunden, z.B. Verbrennungen.

Den ganzen Reader findest du unter: https://nonationtruck.org/infomaterial/

#strongertogether #leavenoonebehind

Wir sind Teil der #StrongerTogether Kampagne!

Der No Nation Truck sind Teil der #StrongerTogether Kampagne!
Ob in der Ukraine, im Iran, in Afghanistan oder an den europäischen Außengrenzen: An vielen Orten leiden viel zu viele Menschen. Wir wollen trotz der herausfordernden Zeiten in Deutschland dafür sorgen, dass andere Menschen in Not nicht vergessen werden und zeigen, wie Zusammenhalt aussieht.
Dafür bringt Leavenoonebehind 40 Hilfsorganisationen zusammen. Sie evakuieren, versorgen, beraten und schützen. Sie retten Leben oder setzen Menschenrechte durch, sie fangen dort auf, wo Krisen besonders stark zu spüren sind. Und jetzt brauchen sie dich.
Denn diese Organisationen haben nicht nur gemeinsam, dass sie unfassbar gute Arbeit machen, leider teilen sie noch eine weitere Gemeinsamkeit: Ihnen fehlen Gelder, um ihre Arbeit, die jeden Tag Leben rettet, weiterzuführen.
Jetzt liegt es an uns, Zusammenhalt konkret zu machen! Für jedes Projekt haben wurde im Zuge der Kampagne eine Fundraisingaktion gestartet. Ziel ist es, das Geld für jede einzelne Organisation bis Weihnachten einzuholen. Unterstützung bekommen wir dafür von Prominenten Pat*innen. Aber um Erfolg zu haben, brauchen wir dich!