Rückblick: Der Truck ist zurück, die Grenze bleibt

Nach mehr als drei Monaten ist der No Nation Truck zurück von der italienisch-französischen Grenze. Wir fahren, als der Winter kommt. Von unserer Base in Oulx, auf etwas mehr als 1000 Metern, können wir bereits erste weiße Schneefelder in den Bergen sehen, durch die hier die Grenze verläuft. Es fühlt sich scheiße an zu gehen. Wir wissen, dass Menschen trotz erschwerter Wetterbedingungen, trotz erhöhter Grenzkontrollen, trotz Lawinengefahr weiter über diese Grenze in der Hoffnung auf ein Leben in Sicherheit fliehen werden.
Diese Grenze ist mit ihren Widersprüchen ein Sinnbild der rassistischen Abschottungspolitik Europas: Da gibt es die Luxusferiengäste, die gemütlich im Bus zur nächsten Instagramtauglichen Wanderung gondeln. Die sich mit einer Selbstverständlichkeit in den Bergen bewegen, wie sie nur ein europäischer Pass garantiert – gleichzeitig gibt es all die Menschen, die diese Grenze mit Todesangst überqueren. Nicht im Bus, sondern zu Fuß. Nicht in teuren Outdoorklamotten, sondern in Badelatschen und Wollsocken, auf dem Rücken wenn überhaupt nur die letzten privaten Gegenstände. Nicht mit touristischer Leichtigkeit, sondern mit der Gewissheit, dass in den satten Wäldern die Gefahr lauert, gepushbackt zu werden. Dutzende Länder haben sie zu Fuß durchquert, manche das Meer. Sie stehen am Ende ihrer Reise und auch ihrer Kräfte. Und dürfen doch nicht ankommen hinter dieser Grenze. Denn selbst wenn sie es bis Briançon, die nächstgrößere Stadt auf französischer Seite schaffen, sind sie noch nicht in Sicherheit. Die französischen Bullen führen Pushbacks noch mehrere Kilometer hinter der Grenze durch. Das Rote Kreuz in Oulx hilft mit.
Innerhalb unserer Monate vor Ort haben wir fast täglich erlebt, wie der Bus vom Roten Kreuz Italien in Kooperation mit der französischen Grenzpolizei Menschen zurück nach Oulx fuhr. Die gleichen Fahrer:innen, die sich an den Pushbacks beteiligen, betreiben hier eine Notunterkunft, in der Menschen auf der Flucht ein paar Nächte schlafen können. Allen ist klar, dass niemand hier bleiben will. Die Menschen wollen weiter nach Frankreich, Belgien, Deutschland oder UK. Viele sind gesundheitlich stark belastet. Sie kommen aus dem Iran, aus Kurdistan, aus Afghanistan, Tunesien und dutzenden anderen Ländern. Die meisten wollen direkt weiter. Keine Zeit verschwenden in diesem gefährlichen Landstrich, wo jederzeit eine Kontrolle, ein Pushback, eine Festnahme droht. Wenn sie morgens zum Frühstück zu uns in den Truck kommen, hören wir nur manchmal kurz Teile ihrer Geschichten.
Ein junger Mann erzählt von wochenlangem Ausharren in Wäldern auf der sogenannten Balkanroute, oft tagelang ohne Essen oder Trinken. Der Wald hat sich mit tiefen Narben in seine Hände und Füße gegraben. Er hinkt. Er will in der Nacht gehen, auch wenn dann schon Schnee fallen könnte.
Ein anderer erzählt, vor einer Woche noch auf dem Meer getrieben zu sein. Er habe zu einem Zeitpunkt nicht mehr damit gerechnet, die Reise zu überleben. Und jetzt ist da diese Bergkette vor ihm. Er sei noch nie in den Bergen gewesen, sagt er. Was, wenn ich runterfalle? Wenn ich nicht mehr kann? Wenn mich da oben die Polizei verprügelt? Er sagt auch, er habe gedacht, Europa, da sei er sicher.
Ein Mann, der morgens zum Truck kommt, um sich zu informieren, spricht uns auf Deutsch an. Er habe in Afghanistan lange als Lehrer für die Ausbilder der Bundeswehr gearbeitet. In einer Plastikhülle trägt er Papiere mit sich, die auf Deutsch geschrieben sind. Sie haben mich vergessen, sagt er, aber die Taliban, die haben nicht vergessen. Für ihn ist die Reise hinter der Grenze nicht zu Ende. Er will nach Deutschland.
Täglich besuchen 15-20 Personen den Truck, informieren sich, tauschen sich aus. Ob ihre Reise in Sicherheit endet, werden wir nicht erfahren. Dass es immer schwerer wird, diese Grenze zu passieren, spüren wir noch gegen Ende unserer Zeit in Oulx: Im Kindergarten neben unserem Base-Camp wird gewählt. Wir sollen bitte den Truck nicht so nah an der Einrichtung abstellen, wegen der Kinder, heißt es. Italien wählt an diesem Tag eine faschistische Regierung. Was der erneut institutionalisierte Faschismus für diese Region bedeutet, bleibt abzuwarten (siehe auch https://nonationtruck.org/kriegt-hier-ueberhaupt-jemand-mit-was-in-italien-gerade-passiert/).
Ein bisschen Hoffnung gibt es aber: Wir sehen und supporten weiterhin unsere Genoss:innen von Passamontagna, die mit aller Energie weiter in der Region für ein Recht auf Bewegungsfreiheit kämpfen und diesen Sommer erneut starken Repressionen ausgesetzt waren. Sie bleiben auch im Winter. Das Yallah, ein selbstverwalteter Squat oberhalb von Oulx steht immer noch. Und die Vergangenheit hat auch gezeigt: Räumen die Bullen einen Squat an der Grenze entsteht ein Neuer. Auch die Menschen werden nicht aufhören, zu Fuß diese Berge zu überqueren – egal wie lebensgefährlich diese Route ist und egal, wer in Italien regiert.
Die neue faschistische Regierung Italiens legt in ihrer Kommunikation nur offen, was die EU subtil schon seit immer betreibt. Eine Abschottungspolitik für reiche, für weiße und privilegierte Menschen auf Kosten von Menschenleben. Es ist die gleiche rassistische, gleichgültige und menschenverachtende Politik wie der offene Rassismus der italienischen Regierung, nur mit mehr Hybris. Deshalb wird der Truck weiter an Europas Grenzen unterwegs sein, überall, wo Menschen weiterkommen müssen, um in Sicherheit zu sein.
Der Truck ist zurück in Deutschland – In Wartung aber nicht in Stillstand! Wir halten euch auf dem Laufenden.

Spende von Second Bandshirt

Unsere neuen Freund:innen von Second Bandshirt haben uns einen dicken Scheck überreicht und helfen uns damit gerade ungemein. Dieses Geld kommt genau zur richtigen Zeit, denn finanziell lief zuletzt etwas schlechter als noch zu Beginn des Jahres.

Von 2600 € können wir einen ganzen Monat lang die Kosten für den Einsatz unseres LKWs finanzieren und einen neuen Pavillon zum Schutz vor Regen und Sonne kaufen, der zuletzt das Zeitliche gesegnet hatte. Von 2600 € könnten wir aber auch die Versicherungen und die Steuern für unseren LKW und unseren Transit für das ganze nächste Jahr bezahlen. 2600 € sind viel Geld für uns.

Die Gang von Second Bandshirt vermitteln deine Shirts gegen eine faire Spende und gibt den Erlös transparent weiter. Schaut doch mal bei ihnen vorbei und lasst etwas Liebe da: https://www.secondbandshirt.com/

Kriegt hier überhaupt jemand mit, was in Italien gerade passiert?

Kriegt hier überhaupt jemand mit, was in Italien gerade passiert?

// engl below

Seit ca. zwei Monaten wird Italien von einer neuen rechten Regierung regiert. Das rechte Bündnis holte zusammen 44% – angeführt von der jetzigen Premierministerin und Neo-Faschistin Giorgia Meloni. Meloni steht ganz offen zu ihren Verbindungen in die extreme Rechte.

Als eine der ersten Amtshandlungen schloss Italien vor zwei Wochen seine Häfen für die Schiffe der zivilen Seenotrettung. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits mehrere große Schiffe im Einsatz auf dem Mittelmeer und hatten viele Hundert Gerettete teilweise bereits seit zwei Wochen an Bord. Wir kennen die Geschichten, wie hoch die psychische Belastung für teils schwer traumatisierte Menschen an Bord ist: umso mehr Menschen gerettet werden umso enger wird der Platz an Deck, umso mehr Geschichten und Erfahrungen treffen aufeinander und über allem schwebt die ständige Angst doch noch zurück nach Libyen gebracht zu werden. Trotzdem begann Italien sein krankes Spiel, ausgetragen auf dem Rücken der Geretteten, ließ die Schiffe zwar doch noch in seine Häfen, um Kranke und Kinder von Bord gehen zu lassen und schickte den Rest aber wieder zurück aufs offene Meer. Zum Glück bewiesen die Schiffsführungen großen Mut und weigerten sich.

In Deutschland interessierte all das fast kein Schwein und es gab kaum Berichterstattung darüber. Wo ist die feministische Außenpolitik von Annalena Baerbock, die sich angeblich gegen Gewalt und Diskriminierung stellt?

Unterdessen bat letzte Woche eine weitere Seenotrettungsorganisation erfolgreich darum in Frankreich anlanden zu dürfen, um Italien zu umgehen. Die rechte Regierung in Italien verkaufte dies prompt als ihren Erfolg, in nur wenigen Wochen Regierungszeit bereits das erste Seenotrettungsschiff los geworden zu sein. Frankreich stilisiert sich selbst zwar oft als großen Alliierten-Staat, der die Faschist:innen in Italien gern in ihre Schranken weist, betonte aber direkt dass diese Aktion eine einmalige Ausnahme bleiben wird, dass es vorerst keine Geflüchteten mehr aus Italien aufnehmen und die Grenzkontrollen zu Italien verstärken wird. Heute Morgen hörten wir die ersten Berichte von der franz.-ital. Grenze, das jedes einzelne Auto trotz Kilometerlanger Staus kontrolliert wurde. Das eskalierte schnell.

Am Wochenende verfassten die Mittelmeerstaaten Malta, Griechenland und Zypern, die bereits bekannt sind für Pushbacks, andere Gewalt und menschenunwürdige Praktiken an den Grenzen, unter der Federführung Italiens ein gemeinsames Schreiben gegen die zivile Seenotrettung – die jedoch nur stellvertretend für die Migrationspolitik der reicheren EU-Staaten herhalten muss, mit der sie von den Faschist:innen fälschlicherweise in einen Topf geworfen wird. Dieser Machtkampf wird sich bald genauso auf die Fluchtbewegungen und Hilfsorganisationen an Land auswirken.

Gekämpft wird hier nicht etwa um die Rechte der Menschen auf der Flucht, sondern darum wer sich (zuerst) gegen Zuwanderung abschotten darf und wer nicht. Die Grenze Frankreich-Italien wird somit immer unpassierbarer für Menschen, die eigentlich ein Recht darauf haben vor Krieg, Armut oder Unrecht zu fliehen. Wir erwarten die Berichte der kommenden Wochen von unseren Genoss:innen aus dem Squat Yallah und der Gruppe Kesha Niya mit großer Sorge.

/// English

Is anyone here even aware of what is happening in Italy right now?

For about two months, Italy has been governed by a new right-wing government. The right-wing alliance together won 44% – led by the current prime minister and neo-fascist Giorgia Meloni. Meloni is quite open about her ties to the far right.

As one of its first official acts, Italy closed its ports to civilian rescue ships two weeks ago. At that time, several large ships were already operating in the Mediterranean and had many hundreds of rescued people on board, some for two weeks. We know the stories of how high the psychological strain is for people on board, some of whom have been severely traumatized: the more people are rescued, the more cramped the space on deck becomes, the more stories and experiences come together, and over everything hangs the constant fear of being taken back to Libya after all. Nevertheless, Italy began its sick game, played out on the backs of the rescued, allowed the ships into its ports to let the sick and children disembark, but sent the rest back to the open sea. Fortunately, the ship’s leaders showed great courage and refused.

In Germany, almost no one was interested in all this and there was hardly any news coverage. Where is the feminist foreign policy of Annalena Baerbock, who supposedly opposes violence and discrimination?

Meanwhile, last week another sea rescue organization successfully asked to be allowed to land in France to bypass Italy. The right-wing government in Italy promptly presented this as its success in getting rid of the first sea rescue ship in just a few weeks of government. France often claims to be a great ally state that likes to put the fascists in Italy in their place, but it directly stated that this action will remain a one-time exception, that it will not accept any more refugees from Italy for now and that it will strengthen its border controls to Italy. This morning we heard the first reports from the French-Italian border that every single car was controlled despite kilometer-long traffic jams. That escalated quickly.

Over the weekend, the Mediterranean states of Malta, Greece and Cyprus, already known for pushbacks, other violence and inhumane practices at the borders, drafted a joint letter under Italy’s leadership against civilian sea rescue – which, however, is only used as a symbol for the migration policy of the richer EU states, with which it is falsely thrown into the same pot by the fascists. This power struggle will soon have the same effect on flight movements and aid organizations on land.

The fight here is not about the rights of people fleeing, but about who is allowed (first) to seal themselves off against immigration and who is not. The border between France and Italy is thus becoming increasingly impassable for people who actually have a right to flee from war, poverty or injustice. We await the reports of the coming weeks from our comrades from Squat Yallah and the group Kesha Niya with great concern.

Anekdoten von der italien.-franz. Grenze

Stacheldrahtzaun über den Mauern des Kirchengeländes. Ein hoch observiertes Eingangstor der Notunterkunft „Refugio Massi“. Die Sonne scheint, im Garten findet ein Fußballspiel statt. Ein 9-jähriges Mädchen spielt mit einem kleinen Welpen im Hof. Im Gemeinschaftsraum schlafen Leute auf den Tischen, obwohl eigentlich jeden Tag um 6:00 morgens geweckt wird. Am Tag zuvor seien so viele Menschen angekommen, dass die Kapazitäten der Unterkunft ausgeschöpft waren. Jetzt müssen alle raus. „Let’s go, Let’s go, let’s go!!!!“. Eine große Hektik bricht aus, keiner will den Bus nach Clavière verpassen. Doch im letzten italienischen Dorf werden bereits Carabinieri auf den Bus warten und die Leute zum Teil an die französische Gendarmerie an der Grenze übergeben. Falls Menschen die steilen Skipisten hochlaufen können, werden Sie spätestens im Wald von der französischen Polizei geschnappt. Push Backs werden von Tag zu Tag professionalisierter und gewalttätiger. Und trotzdem: auf dem Bild würdet ihr immer noch auch lächelnde Gesichter sehen können.

Vor ein paar Tagen berichtet uns eine Gruppe people on the move von einem Push back in den Bergen, als sie versuchten die Grenze nach Frankreich zu überqueren. Die Gendarmerie habe sie im Wald aufgeschnappt, wo sie den Kopf einer Person gegen einen Baum geschlagen haben. Die Polizeigewalt an der Mongenèvre-Grenze nimmt zu. Die Temperaturen sinken und bald wird es die ersten Schneefälle geben. Die Flucht übers Hochgebirge birgt viele Gefahren und einige Menschen nehmen die Unterstützung von aktivistischen Strukturen dankbar an.

Oulx, eine Gemeinde zwischen Tourismus und Rassismus. Zugegeben, hier gibt es die beste Pizza und das leckerste Pistaccio Eis, das wir jemals gegessen haben. Doch wie Touristen fühlen wir uns hier nicht. Im Gegenteil, gehen wir davon aus, von italienischen Ermittlungsbehörden beobachtet und überwacht zu werden. „We know everything, you are helping the migrants“, erklärte uns ein Digo um uns einzuschüchtern und uns kriminell fühlen zu lassen. Die absurde Perspektivverschränkung verdeckt aber den Blick auf die Realität. Wer ist es denn, die die Menschen an der Grenze zusammenschlagen und die Flucht so gefährlich machen, dass Menschen hier in den Bergen sterben?

Auch einige Anwohner:innen stören sich an der Anwesenheit von People on the move und an unserer Anwesenheit. Einige Eltern der Kita hier vor Ort haben sich beim Bürgermeister beschwert, der einen Digo zu uns schickte und uns zum Umparken anwies. Am gleichen Tag wurden wir über eine „Neuerung“ des Busfahrplans informiert. Der Bus von Oulx nach Claviére will ab sofort nur noch Schulkinder und keine migrantisierten Menschen mehr mitnehmen.

No Nation Truck ist wieder im Einsatz und hat Nachwuchs bekommen

No Nation Truck ist wieder im Einsatz und hat Nachwuchs bekommen
// eng below
… und zwar an der italienisch-französischen Grenze, wo unsere italienischen Genoss:innen rund ums Jahr Menschen versorgen und auffangen, die sich zu Fuß auf den beschwerlichen Weg über die Alpen gemacht haben. Anfang Juli ist unsere erste Crew in zwei Tagen aus dem Norden Richtung Grenze gefahren.
Neben dem Truck ist vor kurzem auch unser NoNation Transit – ein flexibleres Auto mit kleiner Schlaf- und Kochmöglichkeit – an der Grenze angekommen. Der Ausbau des Transit wurde aus Spenden finanziert. Er ermöglicht es uns, vor Ort flexibel einzukaufen, spontan zwischen den Bergdörfern hin und herfahren zu können und ein weiteres Crewmitglied mit einer Schlafmöglichkeit zu versorgen.
In Oulx, 20 Kilometervom Grenzübergang Clavière entfernt, haben wir den Truck als Anlaufstelle für Menschen auf der Flucht wieder aufgebaut. Oulx liegt auf 1500 Metern, die Grenze zu Frankreich nochmal 500 Meter höher. Menschen auf der Flucht nehmen momentan vor allem die Handyladestation des Trucks in Anspruch.
Wir beobachten auch, dass sich Strukturen in der Region verändern: Momentan wird wenig medizinische Versorgung unsererseits benötigt, da die ärztliche Versorgung durch solidarische Strukturen in der Region abgedeckt wird. Außerdem ist ein Refuge (Anlaufstelle) in der Nähe entstanden, sodass Menschen nicht mehr zwangsläufig beim Truck Unterschlupf suchen müssen. 
Allerdings wissen wir aus dem vergangenen Jahr, dass solidarische Strukturen in dieser Region schnell von Repressionsbehörden angegriffen und zerstört werden. Wir hoffen zwar das Beste, aber bleiben auf das Schlimmste vorbereitet. 
Vielen Dank an alle, die unsere Arbeit durch ihren Support möglich machen! 
Grenzenlose Solidarität,
Die No Nation Truck Crew
/// English
No Nation Truck is back in action and has a new companion
… at the Italian-French border, where our Italian comrades take care of people who have made the dangerous journey across the Alps by foot. At the beginning of July, our first crew left for a journey of two days before arriving in the border region. 
In addition to the truck, our NoNation Transit – a more flexible car with small sleeping and cooking facilities – recently arrived at the border. The extension of the transit was financed by donations. It enables us to move on site, to drive spontaneously between the mountain villages and to provide another crew member with a place to sleep. 
In Oulx, 20 kilometers from the Clavière border crossing, we have rebuilt the Truck as a safe stop for people on the move. Oulx is located at 1500 meters, the border with France lies another 500 meters higher. People on the move are currently making use of the truck’s cell phone charging station in particular.
We also observe that structures in the region are changing: At the moment, little medical care is needed on our part, as medical care is covered by solidarity structures in the region. In addition, a refuge (drop-in center) has been established nearby, so people no longer necessarily have to seek shelter at the truck. 
However, we know from last year that solidarity structures in this region are quickly attacked and destroyed by repressive authorities. While we hope for the best, we remain prepared for the worst. 
Many thanks to all who make our work possible through their support! 
In solidarity,
The No Nation Truck Crew

Ausstellung über den No Nation Truck

Ihr wollt an öffentlichen Orten über die Situation von People on the move an europäischen Grenzen aufklären? Pünktlich zur Festivalsaison haben wir unsere neue Ausstellung mit unseren Augenzeug:innenberichten aus unseren ersten Einsätzen zum Download auf unsere Homepage gestellt: https://nonationtruck.org/infomaterial/

Die Tafeln sind so auf DIN A3 gestaltet, dass sie auf jeweils zwei DIN A4 Seiten leicht auch im herkömmlichen Drucker zuhause ausgedruckt und zusammengefügt werden können. Schickt uns gern Fotos davon, auf welchen Festivals, in welchen Kneipen oder Vereinsräumen ihr die Ausstellung zeigt!

Fundraising für den No Nation Transit

Wir sammeln Spenden für den Umbau unseres zweiten Autos: den No Nation Transit! Dieser PKW soll ein Allrounder werden. Er kann als Zubringer für unseren LKW fungieren oder selbstständig eingesetzt werden. Er ist wendiger und flexibler als unser LKW, 6-Sitzer mit Platz für Personen- und Materialtransport, kleine Vorrichtung zum Laden von Telefonen via Autobatterie, optional zwei Schlafplätze und Feldküchenequipment sind geplant. Genauso wie unseren LKW, wollen wir den NNTransit auch an andere Gruppen für deren Einsätze verleihen. Helft uns die Kosten zu stemmen unter https://www.betterplace.me/no-nation-truck-pkw-umbau?fbclid=IwAR1KLAD59af8oK-cPfg0fpfAxGPfzDHLf4Ez5d80MsHbYBvx2asZDiDNhV0

Neues von der ukrainischen Grenze

Vor wenigen Tagen waren wir wieder gemeinsam mit dem #Solibus an der Grenze zur Ukraine – dieses Mal mit vielen Sachspenden von Wir packen’s an im Gepäck.

Lokale Aktivist:innen berichteten uns dort, dass People of Color in den letzten Tagen kaum bis gar nicht in der polnischen Grenzregion gesehen wurden. Es kann einerseits sein, dass die Menschen das Land zu großen Teilen schon verlassen haben. Es kann aber auch sein, dass sie irgendwo im Landesinneren festhängen und nicht weiter kommen, weil sie keine Kohle mehr haben oder nicht weiter gelassen werden. Es gibt dazu viele Gerüchte und Vermutungen, auch Videos auf Tiktok und Instagram, nichts aber was sich sicher verifizieren lässt. Auch kann es gut sein, dass People of Color andere Ländergrenzen nehmen, nachdem die Videos von Hetzjagden von polnischen Hooligans auf Schwarze Menschen viral gegangen sind. Es ist generell eine sehr schwierige und sich stündlich ändernde Informationslage.

Am Ende des Tages sind wir mit 46 Personen, hauptsächlich Frauen und Kinder, sowie ältere Männer und 2 Katzen zurück nach Berlin gefahren. Die Stimmung im Bus war gut, wenn auch sehr müde und erschöpft.

Angekommen in Berlin, haben wir den Kauf von Tickets zur Weiterreise nach Frankreich organisiert. Die Bereitstellung von Notunterkünften ist wichtig, aber die Menschen haben ein Recht darauf, dorthin zu gehen wo sie sich Sicherheit versprechen oder eine Community haben. Unterstützen wir sie dabei!

no nation truck & Solibus e.V. bringen 48 Menschen von der ukrainischen Grenze nach Berlin

Nachdem die Situation in der Ukraine am 24. Februar endgültig eskaliert ist, haben wir uns als No Nation Truck Kollektiv entschlossen, etwas zu unternehmen. Der Truck selbst ist gerade mit dem ROSA Kollektiv nach Griechenland unterwegs, deshalb haben wir uns mit einem anderem Kollektiv verbündet: Dem Solibus. Gemeinsam sind wir am Freitag, den 25. Februar über Nacht an die ukrainische Grenze in Przemyśl, Polen, gefahren. Hier kommen die Züge aus Lviv an, aber auch der Grenzübergang Medyka ist nicht weit, wo Menschen zu Fuss und in Autos darauf warten, tröpfchenweise durch die Grenze gelassen zu werden.

Auf einem Parkplatz am Rand der Kleinstadt hat sich ein Busbahnhof entwickelt. Dutzende Menschen, hauptsächlich Pol:innen, halten Schilder in die Luft, auf denen sie Mitfahrgelegenheiten anbieten. Jene, die nicht von Freund:innen oder Familie abgeholt werden, kommen hierhin, um weiterzureisen. Viele standen bis zu einem Tag in der Kälte vor der Grenze, andere haben im Dunkeln während eines Bombenangriffs im überfüllten Zug stundenlang ausgeharrt. Viele sind erkältet, übermüdet, haben weder Geld noch Handynetz.

Auffällig war, dass kaum Menschen direkt nach Deutschland wollten, sondern vor allem weiter in Länder wie Frankreich, Belgien oder die Niederlande, wo sie Verwandte haben. Viele Menschen mit ukrainischem Pass wollten in Polen bleiben und suchten Mitfahrgelegenheiten in die nächsten Großstädte. Uns fiel auf, dass insbesondere Schwarze Menschen und People of Color hier stranden und nicht weiter wissen: Internationale Studierende, Menschen mit Asylstatus, Menschen mit internationalen Arbeitsvisa. Berichte häuften sich, dass diese Menschen es schon an den Grenzen besonders schwer gehabt haben, durchzukommen. Viele dieser Menschen wollten weiter nach Westeuropa, zu Verwandten oder Bekannten – in Polen hatten die wenigsten Kontakte.     

Knapp vier Stunden später machte sich der Solibus mit 48 Passagier:innen wieder auf den Weg nach Deutschland. Darunter eine Mutter mit Kind, deren Mann sie bis an die Grenze gefahren hatte, selbst aber im Land geblieben ist. Mittlerweile ist wehrfähigen Männern zwischen 18 und 60 Jahren die Ausreise verboten. Eine Familie aus Mali, die vor Krieg im Norden des Landes floh und in der Ukraine Asyl gesucht hatte. Zwei Studenten aus Algerien, die ein Auslandssemester in Kyjiw gemacht hatten. Zwei Männer aus Afghanistan, die erst kürzlich vor den Taliban flohen. Eine Frau aus dem Berliner Umland, die für eine Tagung in Kyjiw war. Alle diese 48 Geschichten sind individuell und doch haben sie eines gemeinsam: Sie alle suchen eine sichere Bleibe. Um vier Uhr nachts sind wir am Sonntag den 26.02. dann am ZOB in Berlin angekommen, wo die Reisenden von einem Team des No Nation Trucks erstversorgt und die weitere Reise organisiert wurde.

Der gleiche Bus, mit dem wir hier unterwegs waren, wurde noch vor wenigen Monaten an der polnisch-belarussischen Grenze abgewiesen und musste leer zurückfahren, während Menschen als politischer Spielball vor den Toren der EU erfroren. Die Solidarität mit den Geflüchteten der Ukraine ist wichtig und richtig– sie zeigt aber auch, wo die Prioritäten einer mehrheitlich weissen und christlichen Gesellschaft liegen, wenn es um Mitgefühl mit Geflüchteten geht. Auch bei der deutschen und polnischen Bahn ist bis Stand dieses Textes nur von Freifahrten für ukrainische Staatsbürger:innen die Rede. An der Grenze werden sie schwerer durchgelassen, an manchen Grenzpunkten gar nicht. Ausgerechnet jene, die oft zum zweiten Mal Schutz suchen, vor Krieg fliehen oder bereits vorher vertrieben wurden, haben es gerade besonders schwer. 

Außerdem gab Situationen an Bahnhöfen, wo People Of Colour aus den Zügen geschubst oder mit Gewalt am Einsteigen gehindert wurden. An einigen Grenzen gibt es getrennte Schlangen für Europäer:innen und Nicht-Europäer:innen. Auch in der öffentlichen Berichterstattung kursieren Formulierungen und Narrative die so offen rassistisch sind, dass wir sie nicht einmal wiederholen möchten. Diese Ungleichbehandlung ist nicht zu ertragen und durch nichts zu rechtfertigen.

Selbst noch im Angesicht von Krieg und Gewalt zeigt Europa ihren widerlichen Rassismus.

Wir fordern, dass ALLE Menschen auf der Flucht gleich solidarisch behandelt werden und werden uns weiter dafür einsetzen, dass ALLE dorthin gelangen, wo sie in Sicherheit und Frieden leben wollen!

no nation truck zurück in deutschland

Wie ihr wisst, ist der Truck nun zurück in Deutschland. Zeit bei allen Danke zu sagen für das gemeinsame Stemmen der ersten Mission. Danke dass ihr so viel Kraft und Zeit in den Truck und das Vorhaben gebuttert habt. Wir hoffen, über diesen Weg auch all diejenigen zu erreichen, die wir nicht direkt kontaktieren können.

Es ist krass viel passiert seit Anfang des Jahres:

Aufgrund der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Entwicklungen mussten wir uns von unserer Ursprungsidee – eine Mission in der Balkanregion – Abschied nehmen. Das war zunächst keine einfache Aufgabe, da unser Arbeitsansatz vor allem auf individuell gesammelten Erfahrungen von dort basierte. Dann im Januar trotzdem endlich der Start mit unserer ersten Scouting Crew in Caen in Nordfrankreich noch ohne Truck an der Grenze zu Großbritannien. Geflüchtete harren dort über Wochen und Monate aus und versuchen die gefährliche Route des Ärmelkanals in LKWs, Segel- oder Stand Up Paddle-Booten zu überqueren. Anschließend die Verlagerung der Supportarbeit mit der zweiten Crew nach Calais und Dunkirk, wo Geflüchtete von der Polizei in große inoffizielle Freiluftlager gedrängt und überwacht werden. Support erhalten sie dort von einem einzigartigen und gut ausgebauten Netzwerk nicht-staatlicher Gruppen und Organisationen. Dennoch begannen wir mit unserer Rolle zu struggeln, die sich aus den komplexen Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen vor Ort ergab. Wir fragten uns, wie wir unsere Arbeit nachhaltiger gestalten könnten und ob unsere Rolle noch dem entsprach was wir wollten.

Als uns dann ein Aufruf italienischer Aktivist:innen erreichte, packten wir unseren Truck und fuhren in die Berge nach Claviere an die französisch-italienische Grenze. Hier verfolgten die Genoss:innen einen anderen Ansatz. In mehreren Anläufen versuchten sie hier Wohnraum zu schaffen, an denen Menschen mit und Menschen ohne Fluchterfahrung gemeinsam leben und wo alle den Support erhalten können, den sie sich wünschen – egal ob sie nur auf einen Tee oder für Jahre bleiben und sich ein Heim in der Gemeinschaft einrichten wollen. Viele von uns haben noch nie so viel Einsatz erlebt!

Wir haben stets versucht unsere Reichweite dafür zu nutzen, um Öffentlichkeit für die Situation von Menschen auf der Flucht im perfiden Spiel der EU mit Menschenleben zu schaffen und keine „Held:innengeschichten“ über uns selbst zu schreiben. Beim gleichzeitigen Druck Ergebnisse für all unsere zahlreichen Spender:innen zu präsentieren, haben wir es nicht immer geschafft diesen Konflikt aufzulösen. Daran arbeiten wir. Viele konnten wir mit diesen Berichten erreichen. Diese Arbeit werden wir fortsetzen. Wenn ihr up to date bleiben wollt, folgt unserem Telegram Infochannel: https://t.me/nonationtruckDer Truck wird jetzt erst mal frisch gemacht. Zeitgleich stehen wir bereits im Austausch mit einer neuen Gruppe für eine eventuelle Kooperation auf der nächsten Mission. Langfristig suchen wir weiterhin nach neuen Einsatzorten. Behaltet das gern im Hinterkopf, streut die Message und lasst uns wissen, wenn ihr von etwas Geeignetem hört. Wir verleihen den Truck auch an andere herrschaftskritsische Projekte.

Hier findet ihr unterstützenswerte Projekte, die wir unterwegs getroffen haben.

https://info-aidbus.org/en

https://www.mobilerefugeesupport.org/

http://www.utopia56.com/en

https://www.laubergedesmigrants.fr/en/

https://www.passamontagna.info/